Kurier
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Warum ist das wichtig?
- Der Kurier ist trotz lange und stetig sinkender Reichweiten eines der wesentlichen journalistischen Medien in Österreich.
- Spätestens seit 2018, als Martina Salomon die Chefredaktion übernahm, näherte sich die große Blattlinie wieder deutlich stärker den Positionen der ÖVP an. Der Kurier gehörte in der Geschichte schon ÖVP-Organisationen und Funktionären und gehört heute mehrheitlich dem ÖVP-nahen Raiffeisen-Konzern. Raiffeisen will 2025 den Kurier ganz übernehmen.
- Von einer großen, ab 2023 auch durch Österreichs Medienbranche rollenden Sparwelle ist die bis dahin sehr gut besetzte Kurier-Redaktion am massivsten betroffen: fast ein Drittel des redaktionellen Personals muss gehen.
- Der Kurier ist traditionell zwischen Qualitätssegment und Breite positioniert. Vielleicht so etwas wie eine Regionalzeitung, nur überregional. Heimmarkt ist am ehesten Niederösterreich.
- Im gemeinsamen Verlagskonzern Mediaprint dominiert die viel größere Krone. Und die Entscheidungsprozesse dort sind, jedenfalls bis 2024, zäh.
Neuer Geschäftsführer, neuer Chefredakteur, zwei große Sparwellen, die rund 60 von 220 Jobs in der Redaktion kosten, und die Aussicht auf eine neue Eigentümerstruktur: Beim Kurier geht es 2023 und 2024 ziemlich rund, weil es bis dahin offenbar immer unrunder lief. In der Medienbranche insgesamt, und ganz besonders beim Kurier.
Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren Stück um Stück Kanäle zugekauft, von der Futurezone des ORF 2010 bis zum TV-Programm Schau TV, inzwischen in Kurier-TV umbenannt. Parallel gingen die Reichweiten und Auflagen des gedruckten Kurier sehr konstant nach unten – von bundesweit 11,2 Prozent im Jahr 2003 auf 5,5 Prozent 2023. Online holte kurier.at in der Nutzungsstudie ÖWA (Österreichische Web-Analyse) wesentlich auf. Aber nach den Ereignissen von 2023/2024 zu schließen bis dahin nicht mit ausreichendem Erfolg.
Wem gehört der Kurier?
Der Kurier gehört mehrheitlich dem ÖVP-nahen Finanz- und Industriekonzern Raiffeisen.
Stand im Frühjahr 2024:
- 50,56 Prozent gehören von Raiffeisen dominierten Beteiligungsgesellschaften (einen durchgerechnet winzigen Anteil halten eine oberösterreichische Unternehmergruppe und weiterer Streubesitz dort).
- 49,44 Prozent liegen bei der WAZ Ausland Holding, einer Gesellschaft der deutschen Funke-Mediengruppe, an der René Benkos Signa-Holding 49,5 Prozent hält, die allerdings 2024 Konkurs angemeldet hat. Die Funke-Gruppe hat Aufgriffsrechte für die Signa-Anteile. In der WAZ Ausland Holding liegen auch 50 Prozent an der Kronen Zeitung.
Raiffeisen meldet im Frühjahr 2024 (wieder einmal) Kaufinteresse für die Funke-Anteile am Kurier an. Im Juni 2025 übernehmen die Dichands die Funke-Anteile an der Krone; Raiffeisen verhandelt noch über jene am Kurier.
Die schwierige Partnerschaft mit der "Krone" in der Mediaprint
Kronen Zeitung und Kurier haben seit 1988, als die deutsche Funke-Gruppe bei Österreichs Nummer eins und zwei eingestiegen war, einen gemeinsamen Verlagskonzern für Druck, Vertrieb, Werbevermarktung. Die Zeitungen bekommen von der Mediaprint jährlich ein Taschengeld für die Redaktion, ein sogenanntes "Redaktionsagendum".
Die Konstruktion ist kompliziert: Über alle zeitungswirtschaftlichen Fragen für beide Titel entscheidet ein Gesellschafterausschuss (GAS), in dem je zwei Vertreter von Funke-Gruppe (Krone/Kurier), Familie Dichand (der lange 50 Prozent an der Krone gehören, 2025 übernehmen die Dichands die Krone ganz) und Raiffeisen (Kurier) sitzen. Die Funke-Gruppe müsste dort laut Syndikatsverträgen mit den Dichands stimmen, streitet aber seit Jahrzehnten mit diesen über Vorrechte der Dichands bei der Krone. Die weitaus größere Krone spielt auch weitaus mehr Geld ein als der Kurier – was die Konstellation und gemeinsame Entscheidungen auch nicht einfacher macht.
Die Folge: häufige wechselseitige Blockaden.
Die Mediaprint schrieb 2022 erstmals mit 25 Millionen Euro massive Verluste. Sie soll neu aufgestellt werden: Die Mediaprint soll sich als Servicegesellschaft der Eigentümerblätter und inzwischen vieler anderer Medienkunden auf Zustellung/Vertrieb und Druck konzentrieren, Krone und Kurier werden eigenständiger und übernehmen insbesondere ihre Werbevermarktung wieder selbst.
Das Personal
Eigentümer Michael Höllerer ist Generaldirektor von Raiffeisen Niederösterreich-Wien, dort liegt die knappe Mehrheit am Kurier. Raiffeisen verhandelt 2024 über einen Kauf der Anteile der Funke-Gruppe.
Geschäftsführer Richard Grasl (21. Jänner 1973) ist ab Jahresbeginn 2024 Geschäftsführer beim Kurier. Er war schon ORF-Finanzdirektor und ÖVP-Hoffnung auf die ORF-Generaldirektion (2016), nach einem tragischen Motorbootunfall dockte er beim Kurier an, zunächst als Berater, dann Vizechefredakteur und Profil-Geschäftsführer.
Chefredakteur Martin Gebhart (20. August 1961), Karriere im ÖVP-Stammland Niederösterreich bis zum Chefredakteur der kircheneigenen Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN), danach zum Kurier, dort zuletzt Innenpolitikchef. Versichert 2024, ein von ihm propagierter Kurs der "Mitte" sei nicht gleichbedeutend mit der gerade von der ÖVP eingeschlagenen "Mitte"-Positionierung.
Die Geschichte
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Updates
Vorerst nur eine Absicht und Gespräche, aber ich fand's spannend: Der Kurier ist möglicher Partner für eine Bewerbung um die staatliche österreichische Lotterienkonzession, die 2027 neu vergeben wird. Der weltgrößte Lotterienbetreiber Brightstar bastelt 2025 an einem Konsortium dafür, die österreichische Post und das Medienhaus von Raiffeisen sollen an Bord sein. Kurier-Geschäftsführer Richard Grasl erklärt dazu dem Standard: "Der Kurier prüft laufend interessante Business-Optionen, um sein Geschäftsfeld zu erweitern und abzusichern." Gespräche zu diesem Thema könne man derzeit aber nicht kommentieren.
Von August bis Oktober, bisheriger Stand, rollt eine gewaltige Sparwelle durch Österreichs Medienhäuser und Redaktionen, wie insbesondere das Branchenmedium Horizont berichtet. Wenn ich die – teils kolportierten, teils selbst kommunizierten – Zahlen grob zusammenrechne, komme ich auf 180 bis mehr als 200 betroffene Jobs. Soweit erkennbar meist durch einvernehmliche Trennungen.
- Am 17. Oktober 2025 wird in der Kleinen Zeitung laut Horizont ein "massives Sparpaket" intern kommuniziert. 34 Jobs sollen betroffen sein, 28 in der Redaktion. Zuvor soll schon die Antenne Steiermark, ebenfalls aus dem Styria-Konzern, in niedrig zweistelligen Dimensionen Jobs abgebaut haben.
- Am 15. Oktober 2025 wird beim Red Bull Media House intern eine Bündelung der Medien unter der Marke "Servus Media" und ein Jobabbau in der Größenordnung von 40 bis 60 Mitarbeitenden verkündet.
- Ende September werden beim Kurier drei Jobs gestichen. Weiterer, deutlicher Jobabbau, insbesondere indem Pensionierungen und Abgänge möglichst nicht nachbesetzt würden, wurde intern in Aussicht gestellt. (Beim Kurier gab es schon 2023 und 2024 zwei Abbauwellen mit insbesamt rund 60 Trennungen, die ich wie ähnlich hohe Abgänge bei der Krone 2024 nicht in die geschätzte aktuelle Gesamtzahl oben einberechnet habe.)
- Im September begannen laut Horizont Sparmaßnahmen bei der Presse.
- Am 22. September 2025 kommunizierte der Standard selbst Sparmaßnahmen im Umfang von "bis zu 25 Mitarbeiter:innen" und einen umfassenden Sozialplan.
- Die Regionalmedien Austria (RMA) streichen im September 2025 Jobs in kolportiert zweistelligen Zahlen, die nationale Chefredaktion wird faktisch eingespart.
- Schon im August 2025 hat ProSiebenSat1Puls4 kommuniziert, dass mit dem Ende des Online-Textangebotes von Puls 24 zumindest 9 Jobs gestrichen werden. Im Oktober 2025 werden weitere drei Jobs in der Redaktion gekürzt.
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