Privatradio und Privatfernsehen in Österreich: Die zähe Entwicklung der Privatsender
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Warum ist das wichtig?
- Die übermächtige Position des öffentlich-rechtlichen ORF als weitaus größter Player unter Österreichs Medienhäusern wurde mit der Blockade von privatem Fernsehen über Jahrzehnte gesichert.
- Weil österreichische TV-Sender so lange verzögert und behindert wurden, bestimmten deutsche Konzerne – RTL und vor allem ProSiebenSat1 – schon früh und nachhaltig den privaten Markt in Österreich.
- Die Produktion von Fiction – Serien und Filme – kann sich praktisch nur der öffentlich finanzierte Marktbeherrscher ORF leisten. Und das private Servus TV, solange der Mutterkonzern Red Bull das finanziert.
- Mit diesen Möglichkeiten hat der Marktbeherrscher ORF auch die besten Startchancen im Streamingmarkt. Auch hier ist ProSiebenSat1 der zweite gewichtige Player.
- Österreichs zähe Medienentwicklung im Fernsehen wirkt also auch im Streaming nach.
- Im klassischen Radio prägt der jahrzehntelange Schutz der Medienpolitik für den ORF ebenfalls noch den Markt. Streaming bringt in der Audionutzung aber einiges in Bewegung.
Kein europäischer Staat (nicht einmal Albanien) ließ sich so lange Zeit mit der Zulassung von landesweitem Privatfernsehen im damals wichtigsten Übertragungsweg Antenne (terrestrisch) wie Österreich. Und kaum ein Land ließ privates Radio zögerlicher und holpernder zu als die Österreich.
Der lange Weg zum Privatrundfunk in Österreich in einer Minute
- Drei Player bestimmten die Medienpolitik über Jahrzehnte: die großen, im Zeitungsverband VÖZ organisierten Verlage, der ORF und die Regierungen von SPÖ und ÖVP, die vor allem an Einfluss im ORF interessiert waren. Alle drei hatten wenig Interesse an neuen Medienkonkurrenten.
- Erst 1998 konnten Privatradios im ganzen Land on air gehen – nurauf jeweils ein Bundesland beschränkt (bis auf technische Überlappungen); 1995 konnten wegen juristischer Schlampereien nur zwei Sender legal vorab starten und alarmierten Ö3 nur regional beschränkt, dass es sich besser auf Privatradio vorbereiten muss.
- Erst 2004 wurde bundesweites Privatradio zugelassen. Denn das ist Konkurrenz für Ö3, das dem ORF wesentliche Werbeeinnahmen bringt.
- Erst 2001 wurde privates bundesweites Fernsehen über Antenne (terrestrisch) zugelassen, mit dem ATV erst ab 2003 das gesamte Bundesgebiet erreichen konnte.
- Werbefenster deutscher Privatfernsehsender besetzen den Markt mit billigen Werbeblöcken für Österreich in ihren schon in Deutschland ausfinanzierten Programmen.
- Schon seit 2009 fördert die Republik Privatradio und Privat-TV mit 15, ab 2019 dann 20 Millionen jährlich für kommerzielle Stationen; nicht kommerzielle Sender wie Okto oder Orange mit drei und seit 2022 mit fünf Millionen pro Jahr. Der öffentlich-rechtliche ORF erhält aus Rundfunk-Beiträgen rund 700 Millionen Euro.
Privatfernsehen – die Geschichte vieler Blockaden
Warum dominieren der ORF und deutsche Privatsender Österreichs klassischen TV-Markt? Österreich ist natürlich ein praktischer, gleichsprachiger Markt für deutsche Kanäle, die hier auch mit null zusätzlichen Programmkosten noch einmal Werbung in ihren Kanälen verkaufen können.
Zugleich ist dieses Duopol von Gebührenfunk und großen Playern aus dem Nachbarland Ergebnis einer jahrzehntelangen Verhinderungspolitik. Am Werk:
- der ORF, der naturgemäß wenig Interesse an Konkurrenz hat;
- die Regierungspolitik, die auf Einfluss im ORF und damit auf seine Berichterstattung für ein möglichst großes Publikum hofft;
- Österreichs Zeitungsverleger, die naturgemäß auf zusätzliche Konkurrenz um Werbegelder gern verzichten – und die wenigsten von ihnen wollten selbst Fernsehen machen. Das Medium war über Jahrzehnte einfach zu teuer und der Markt zu klein – bis in die 2010er Jahre.
Wie blockierte diese Dreifaltigkeit nun privates Fernsehen und lange auch privates Radio? Ein rascher Überblick:
1. Deals der "Medialpartner"
Der ORF und die Zeitungsverleger, organisiert im Verband Österreichischer Zeitungen, kurz VÖZ. Die jeweiligen Regierungen, meist Koalitionen von sozialdemokratischer SPÖ und bürgerlicher ÖVP, setzen um, was die beiden „Medialpartner“ (nach dem Muster der österreichischen Sozialpartnerschaft von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen) aushandeln. Diese Vereinbarungen über (mehr und mehr) Werbezeiten des ORF, über die Vergabe von Privatradiolizenzen an Verleger, den Verzicht auf privates Fernsehen und dergleichen nennen sie "elektronischen Grundkonsens" – man könnte auch von einem Kartell sprechen. Die Politik setzt wesentliche Teile dieser Deals von 1985, 1987, 1993 und 1999 um – oder versucht das zumindest.
2. Höchstrichter machen Medienpolitik
Höchstgerichte, vor allem der Verfassungsgerichtshof, stören diese Harmonie der Medialpartnerschaft. Der Verfassungsgerichtshof hebt regelmäßig Mediengesetze auf und treibt die eher unwillige Medienpolitik an: bei der Zulassung von Privatradio und Fernsehen (1995), aber auch beim ORF-Beitrag (2022) und Politeinfluss auf den ORF (2023). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte funkt dazwischen. Das Straßburger Gericht verurteilt Österreich 1993: Das Monopol des ORF widerspreche Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der freie Meinungsäußerung garantiert. Freilich ohne Sanktion für die Republik.
Privatfernsehen, das diesen Namen verdient, bringt erst der Verfassungsgerichtshof auf den Weg. Im Juli 1993 hat die SPÖ-ÖVP-Regierung zwar den Kabelnetzen österreichisches Programmangebot erlaubt – aber nur Text und Standbilder, zudem ohne Werbung.
Im September 1995 heben die Verfassungsrichter nach Beschwerden das Verbot von Bewegtbild auf. Parallel dazu auch gleich die Regelungen im Regionalradiogesetz, nach denen die Privatradiolizenzen damals vergeben sind.
Im Oktober 1996 kippt der Verfassungsgerichtshof nach weiteren Beschwerden auch das Werbeverbot für Kabel-TV.
3. Deutsche Werbefenster besetzen den Markt, bevor österreichisches TV zugelassen wird
RTL macht kein österreichisches Programm – aber ab 1. April 1996 ein so genanntes Werbefenster, für’s Erste in Kabelnetzen. Auf einem eigenen (digitalen und damals kaum direkt empfangenen) RTL-Satellitenkanal für Österreich läuft statt deutscher eigens in und für Österreich akquirierte Werbung. Die kommerzielle Idealform von Privatfernsehen: extra Werbegeld ohne extra Programmaufwand.
Sat.1 probiert es 1996/97 auch mit Programm für Österreich – Livespielen der hiesigen Bundesliga ab 24. Juli 1996, lässt das mangels Publikum- und Werbeerfolg gleich wieder für längere Zeit, und konzentriert sich doch auch allein auf Werbevermarktung.
ProSieben startet am 14. März 1998 ein Werbefenster – und setzt erst später auf Österreich-Programme bis hin zum Kanal für Österreich ( Puls 4 ). Die Umsätze der Werbefenster deutscher Sender werden – brutto – ab den 2000-er Jahren an den ORF herankommen. Da startet nationales österreichisches Privatfernsehen gerade erst.
4. ORF treibt Publikum zu den Werbefenstern
Mit dem eiligen Umstieg von analogem auf digitales Antennenfernsehen treiben der ORF und seine Sendertochter ORS 2006/2007 bis dahin sicheres, analoges Antennen-Publikum des ORF zum Digitalsatelliten. Damit machen sie praktisch ganz Österreich für die Werbefenster erreichbar.
5. ATV mit großen und teuren Ambitionen
Rückblende in die 1990er: In Österreich versuchen sich schon ab Anfang der 1990er Jahre vor allem die Betreiber von Kabelnetzen mit regionalen und lokalen Programmen – zunächst unter verschärften Bedingungen wie Bewegtbild- und Werbeverbot. Ab April 1997 starten die Gewerkschaftsbank Bawag und die Gewerkschaftsdruckerei Elbemühl zusammen mit Erste Bank und Generali einen solchen Regionalsender im größten Kabelnetz des Landes – der damaligen Telekabel, heute Magenta/UPC: Wien 1, der Vorläufer von ATV.
Wien 1 und später ATV kosteten allein die Bawag von 1999 bis 2006 125 Millionen Euro. ATV nimmt mehrere überschaubar erfolgreiche Anläufe, sein Programm über Kabel und Satellit einigermaßen österreichweit zu verbreiten.
6. Die späte Zulassung bundesweit und regional über Antenne
Erst die ÖVP-FPÖ-Regierung ab 2000 erlaubt Privatfernsehen über Antenne, das bis in die 2000er Jahre das größte Publikum verspricht. Und auch diese Regierung tut das 2001 vor allem, um ihre Machtübernahme im ORF in ein größeres medienpolitisches Paket einzubetten, damit der Zugriff auf den Gebührensender nicht gar so auffällt.
7. Salzburg-TV, LT1, Puls 4 und schließlich 2003 ATV
Am 6. Dezember 2002 startet Salzburg-TV als erster legaler Antennensender – inzwischen wurde der Sender mehrfach verkauft und heute Servus TV von Dietrich Mateschitz. 2003 startet LT 1 in Linz – das gibt es noch immer, inzwischen gehört es Raiffeisen Oberösterreich. Puls TV geht im Juni 2004 on air – der Stadtsender bewegt sich allerdings erst ernsthaft Richtung Erfolg, als ihn die Wiener Dependance von ProSiebenSat.1 2007 kauft und – auch mit einigen Schwierigkeiten – zum österreichweiten Puls 4 umbaut.
Im Juni 2003 versucht ATV den nächsten Neustart, nun über Antenne und österreichweit. Der Sender gehört inzwischen ganz Herbert Kloiber, einem von München aus operierenden, aus Wien stammenden Programmhändler. Wesentlich in die schwarzen Zahlen kommt der Sender nicht mehr.
8. Red-Bull-Boss Mateschitz macht teures Fernsehen: Servus TV ab 2009
Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz übernimmt Salzburg TV und startet es mit Oktober 2009 neu als sehr heimatverbundenen nationalen TV-Sender Servus TV neu. Ab 2014 prägt Salzburg-TV-Gründer Ferdinand Wegscheider im Sinne des Oberbullen mit einer rechtsalternativen redaktionellen Linie. Und gewaltigem Budget, finanziert vor allem vom Mutterkonzern.
9. Klein, regional und gemeinsam überregional
Neben diesen größeren Sendern betreiben viele Kabelnetze TV-Kanäle von ATV Aichfeld bis W24 der Wien Holding in Wien, viele kleinere nur eine halbe Stunde bis Stunde pro Woche in Endlosschleife. Schau TV, von den Eigentümern des Wiener Bohmann-Verlags im Sinne der Wiener SPÖ und mit einem Rathaus-Mann als Programmchef als Antennen- und Satellitenkanal für die Ostregion gegründet, geht im Sommer 2017 an den Kurier .
Regionalfernsehen zu einem nationalen Programm zusammenzubringen, versuchte schon Wien1/ATV in den 1990ern, in den 2000er Jahren probierte es Austria 9 des ehemaligen RTL2- Managers Josef Andorfer und seines langjährigen Mitstreiters Conrad Heberling – die Programmplätze von Austria 9 übernahm schließlich ProSiebenSat.1Puls4 für seine Österreich-Variante des Frauensenders Sixx.
Ab 2015 arbeiten W24 (Wien-Holding ), die Werbeagenturgruppe Kobza Media und später die Gamma-Film von Großproduzent Jan Mojto (Beta Film) mit ihrer Privatsendervermarktung R9 an einem gemeinsamen Österreich-Programm von Regionalsendern aus allen Bundesländern über Satellit; namens R9.
10. Verlegerfernsehen mit dem Frühstarter Oe24
Österreichs Verlagshäuser werden ab 2016 ernsthaft aktiv. Die Produktion wird immer günstiger, und Verlage brauchen ohnehin Videocontent für ihre Webseiten. Und wenn man diese Inhalte zu einem TV-Sender bündelt, bekommt man auch noch Privatrundfunkförderung. Die kann schon mal Millionenhöhe erreichen.
Einen eigenen TV-Kanal über Kabel und Satellit sowie Online startet die Mediengruppe Österreich im September 2016 – Oe24tv. Der Kurier übernimmt im Sommer 2017 Schau-TV von den Bohmann-Eigentümern, einen ostösterreichischen Regionalkanal. Das Management erkennt bald, wie schwierig und teuer das Fernsehgeschäft ist. Die Krone startet ihr Krone.tv 2020 auch als klassisches, förderwürdiges TV-Programm. Der Standard versucht das ab Sommer 2020 und gibt den TV-Kanal 2023 aus wirtschaftlichen Gründen wieder auf.
11. ProSiebenSat1Puls4 kauft zu, baut aus und streamt
Österreichs erster nationale Privatsender ATV geht im Frühjahr 2017 an ProSiebenSat1Puls4. Bis auf Servus TV hat die marktbeherrschende Gruppe damit alle nationalen privaten Player inhaliert.
ProSiebenSatPuls4 startet mit 1. September 2019 den Info- und Eventkanal Puls 24.
12. Streaming
ProSiebenSat1Puls4 unternimmt nach "Zappn" ab Sommer 2017 im Frühjahr 2023 einen neuen Streaminganlauf unter der aus Deutschland geläufigen Marke "Joyn".
Der ORF startete 2009 eine Mediathek (ORF-TVthek), versuchte sich ab 2014 mit dem Bezahlportal Flimmit und dem Bezahl-Klassikportal Fidelio und startet 2024 neu mit dem Streamingportal "ORF On". Nun darf er auch, in Grenzen, für Streaming produzieren. Die Biester, Großproduktion des ORF im Gefolge der Vorzeigeserie Vorstadtweiber, muss er 2024 dennoch vor dem ORF-On-Einsatz erst im linearen Fernsehen ausstrahlen (er tut das versteckt und zeigt sie offiziell im Hauptabend erst nach dem Streamingstart).
Seit 2016 fragt die Rundfunk- und Telekomregulierung RTR in ihrer "Bewegtbildstudie" die Nutzung von TV und Streaming ab. Seit 2020 nutzen Menschen unter 30 Streaming wie Youtube, Netflix, Amazon Prime und Co (ohne Sender-Mediatheken) täglich weitaus länger als lineares Fernsehen. Youtube hat deutlich höhere Marktanteile in der Werbezielgruppe unter 50 als jeder Privatsender in Österreich (lässt sich aus dem methodisch nicht zulässigen Vergleich mit der TV-Studie Teletest ableiten). Zugleich ist lineares Fernsehen beim Gesamtpublikum ab 14 noch vielfach größer als Streaming - vor allem durch älteres Publikum.
Privatradio – die Geschichte vieler Blockaden
Wie blockierte die Dreifaltigkeit von ORF, Zeitungsverlegern und Regierungspolitik privates Radio? Hier ein sehr geraffter Überblick, mit vielen Parallelen zur Blockade privaten Fernsehens.
Der legendäre ORF-General Gerd Bacher begann 1985 – in Deutschland starteten da gerade Privatradio und -fernsehen legal – eine Reihe zumindest kartellähnlicher Vereinbarungen mit dem Verband der Zeitungsverleger. Diese Deals, feierlich unterzeichnet meist vor dem jeweiligen Bundeskanzler und Vizekanzler, nannten sie "elektronischer Grundkonsens". Was vereinbarten sie da?
1985: Der erste Deal
Die Verleger haben nichts gegen (immer wieder) mehr Werbezeit für den ORF. Der ORF verzichtet dafür auf regionale TV-Werbung – zum Schutz regionaler Verleger. Und er macht selbst keine weiteren gedruckten Medien außer der ORF Nachlese. Der ORF hält UKW-Frequenzen ab 100 Megahertz für privates Radio frei. Daran hält er sich nicht lange und besetzt sie zunächst in Wien mit Blue Danube Radio, daraus wird später FM4. Die Verleger versprachen im Gegenzug beim ersten Deal 1985, für drei Jahre nicht weiter auf Privatradio und -TV zu drängen.
1987: Der zweite Deal
1987, in Grundkonsens Nummer zwei, vereinbaren ORF und Verleger ein gemeinsames Radiomodell: Privatradiolizenzen vergibt der ORF-Aufsichtsrat, und zwar nur an Zeitungsverleger in ihrem Stammbundesland und ausschließlich regional, gemeinsame überregionale Werbeblöcke sind ihnen verboten. Die Verleger versprechen zudem, drei Jahre nicht auf Privatfernsehen zu drängen. Ein Radiogesetzentwurf von 1989 sieht genau so aus, die ÖVP legt sich quer. Ein dritter Grundkonsens 1993 untermauert das Modell grob und bringt dem ORF wieder mehr TV-Werbezeit.
1993: Österreich verletzt Menschenrechtskonvention
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Österreich am 24. November 1993: Österreichs Rundfunkmonopol zugunsten des ORF verstoße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung laut Artikel 10 der Menschenrechtskonvention.
Das erste Radiogesetz
Immerhin: am 29. Juli 1993 haben SPÖ und ÖVP nach vielen Entwürfen ein erstes Regionalradiogesetz beschlossen, gleich nach dem dritten "Grundkonsens", und ganz in seinem Sinne. Mit einer Regelung, vor der der Verfassungsdienst des Kanzleramts schon 1991 als potenziell verfassungswidrig gewarnt hatte – das Gesetz überließ die Zahl der zu vergebenden privaten Lizenzen im Prinzip dem Verkehrsministerium als Rundfunkbehörde und faktisch dem ORF. Denn dem sollte der Frequenznutzungsplan sehr vage jedenfalls soviele Frequenzen zuordnen, die er zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben braucht.
Im Jänner 1995 gehen – außer in Salzburg – alle in einem ersten Schritt vergebenen Bundesländer- Lizenzen an Radio-Konglomerate, in denen die jeweiligen Regionalverlage beteiligt sind. – Anfangs dürfen Medienhäuser nur 26 Prozent an einem und zweimal zehn an Prozent an weiteren Sendern in anderen Gebieten halten, was die Sache nicht einfacher macht.
1995: Verfassungsgericht kippt Radiogesetz
Aber diese ersten legalen Privatradiolizenzen hielten nicht lange: Lizenzbewerber, die nicht zum Zug kamen, riefen den Verfassungsgerichtshof an. Der setzte die Lizenzbescheide schon im Mai 1995 aus. Im September 1995 hebt das Höchstgericht jene Passagen im Regionalradiogesetz auf, vor denen schon der Verfassungsdienst des Kanzleramts gewarnt hatte.
Frühstart in der Steiermark, Warnung für Ö3
Für die Lizeninhaber hieß es also zurück zum Start. Aber nicht für alle: Die Gesellschafter der Antenne Steiermark überzeugten die drei Beschwerdeführer gegen ihre Lizenz, ihre Beschwerden zurückzuziehen. Sie bekamen dafür Anteile an der Antenen oder Sendezeit dort. Dasselbe gelang dem Salzburger Radio Melody. Mit dem Rückzug der Beschwerden wurden die Lizenzbescheide beider Sender rechtskräftig.
Schon am 22. September 1995 konnte die Antenne Steiermark als erster legaler Sender starten – und sie überholte in diesem Bundesland binnen Wochen Ö3. Ein Glück für den ORF: Der Frühstart in dem begrenzten Regionalmarkt machte dem ORF klar, dass seine Cashcow nicht ausreichend auf Konkurrenz vorbereitet ist. Melody ging am 17. Oktober 1995 in Salzburg on air.
1998: Langes Warten auf Radiostart in ganz Österreich
Die Politik gab dem ORF ausgiebig Zeit zur Vorbereitung auf Konkurrenz in allen Bundesländern, und er nützte sie mit den deutschen Radioberatern von BCI: Erst am 1. April 1998 konnten weitere Regional- und Lokalradios starten – praktisch bei allen größeren Kanälen die jeweils dominierenden Verleger an Bord wie einst in „Radio Print“ geplant. Ö3 und die meisten ORF-Regionalradios überstanden diese späte zweite Welle ziemlich ungerührt.
Auch weil der ORF die Privatradios geschickt spaltet und deren gemeinsame Vermarktung verhindert: Er bietet ihnen an, ihre Werbezeiten gemeinsam mit Ö3 zu vermarkten; die Mediaprint-Regionalradios in Wien und Niederösterreich nehmen das Angebot gerne an. Erst 2001 untersagt eine Novelle dem ORF, Privatsender zu vermarkten wie in diesem "Ö3Plus"-Werbeverbund.
2000: Höchstrichter kippen Radiobehörde
Noch einmal hob der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2000 Teile des Privatradiogesetzes auf. Diesmal, weil er keine sachliche Rechtfertigung für die Konstruktion der Privatrundfunkbehörde sah – und ebensowenig für eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten gegen ihre Entscheidungen. Der Reparaturbedarf bescherte Österreich eine erste echte Medienbehörde, die 2001 wegen des Erkenntnisses der Höchstrichter auch gleich den Großteil der Radiolizenzen neu zu vergeben hatte. Bis auf 92.9 in Wien (wo die Kronen Zeitung über eine Stiftung sich ein zweites Radiostandbein gesichert hatte) wurden die bestehenden Lizenzen erneuert.
Bei der Gelegenheit erlaubte die Regierungsmehrheit – nun ÖVP/FPÖ – erste überregionale Zusammenschlüsse von Privatsendern. Die Sender der Mediaprint begannen, munter und aufwändig regionale und lokale Lizenzen zusammenzukaufen. Der erste Anlauf unter dre Marke "Krone Hitr@dio" blieb zäh.
2004: Bundesweites Privatradio – sehr lange nur eines
Erst als 2004 mit einer weiteren Novelle einige Vorgaben und Beschränkungen für solche überregionalen Sender fielen, konnte aus dem Hitradio Kronehit werden. Ein ziemlich nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg.
Bis 2019 bleibt Kronehit der einzige bundesweite Privatsender. Bedingung für eine solche bundesweite Lizenz: Mit den gesammelten Lizenzen und Frequenzen muss der Sender mindestens 60 Prozent der Bevölkerung technisch erreichen können. Das schaffte erst 2019 die Fellner-Gruppe wieder (im zweiten Anlauf vor der Medienbehörde), Radio Austria startet am 26. Oktober 2019. 2023 sollte Radio Austria eigentlich im Zuge eines Schuldenschnitts kreditgebender Banken an die Fellner-Gruppe verkauft werden. Daraus wird nichs, 2024 wird der Fellner-Sender in "Oe24" umbenannt.
2015: Mehr als regional, weniger als national
2015 erlaubt die Regierungsmehrheit von SPÖ und ÖVP eine Zwischenform: Überregionale Lizenzen aus bisherigen Lokal- und Regioanlradios, deren Sendegebiete nicht weiter als 10 Kilometer auseinander liegen, und die gemeinsam nicht mehr als 45 Prozent der Bevölkerung erreichen. Wer sich dafür entscheidet, kann sich allerdings nicht mehr weiter zu einer bundesweiten Lizenz aufstocken. Dieses Mittelding nützt insbesondere 88.6 mit einer Reihe von Lizenzen in Wien, Niederösterreich und Burgenland, bald erweitert etwa in die Steiermark und nach Tirol. Klingt nach Zwischenschritten zum nationalen Programm.
2024: Digitalradio mit Schwergewichten
Platz für überregionales Radio bietet längst der Digitalradiostandard DAB+. DAB+ gab es ab 2015 in Österreich im Testbetrieb, ab 2019 im Regelbetrieb. Bis 2024 allerdings ohne den Big Player ORF. Der erklärt seine Zurückhaltung damit, dass er nur mit neuen, zusätzlichen Angeboten auf DAB+ gehen will – und die lässt das ORF-Gesetz nicht zu. Auch Kronehit zierte sich bis 2024 (2023 werden die Beschränkungen des Privatradiogesetzes für weitere Sender gelockert). Im Juni aber startet der Krone-Kurier-Sender mit zwei bundesweiten und zwei ostösterreichischen auf DAB+, auch andere wie Life Radio Oberösterreich beginnen da bundesweit zu funken.
Streaming
Eine erste Audiostreamingstudie der RTR liefert im Gegensatz zur Bewegtbildstudie für Video keine vergleichbaren Daten für Radio- und Streamingnutzung. Sendereigene Studien deuten längst auf höhere Streamingnutzung bei jüngeren Zielgruppen als Radionutzung hin.
Der dritte Sektor: Nicht kommerzielle Sender
Neben öffentlich-rechtlichem ORF und privaten kommerziellen Sendern funken in Österreich noch eine Reihe nichtkommerzieller Community-Sender in Radio und TV. Auch dank inzwischen aufgestockter Bundesförderung (fünf Millionen Euro pro Jahr), teilis regionalen Förderungen. Wien kappte seine langjährige Sonderförderung für Okto 2022.
Im TV funken Okto, Dorf TV in Linz und FS1 in Salzburg. Im Radio etwa Orange in Wien, Radio Helsinki in Graz, Freirad in Innsbruck, Proton in Bregenz, Radiofabrik in Salzburg, Radio Fro in Oberösterreich und Mora im Burgenland. Alle Sender beim Verband Freier Rundfunk.
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