FPÖ-Medien und freiheitliche Sender und Portale: Die blaue Medienwelt
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Warum ist das wichtig?
- Die FPÖ hat sehr früh in den 2000er Jahren begonnen, an traditionellen Medien vorbei eine eigene freiheitliche Partei- und parteiische Medienwelt aufzubauen, mit einer beeindruckenden Vielzahl von Portalen und Kanälen.
- Diese teils parteieigenen, von der FPÖ unterstützten und teils mit der FPÖ-Führung abgestimmten Portale liefern aus einem blauen Blickwinkel Inhalte im Parteisinne, emotionalisierend und das etablierte politische Gefüge und journalistisch arbeitende Medien infrage stellend. Sie bestätigen Weltbilder, auch losgelöst von deren Realitätsnähe, manche befördern Verschwörungsmythen, Propaganda, Desinformation im Sinne von Parteilinie und freiheitlichem Weltbild.
- Extrem rechte und rechtskonservative Portale sind international häufig ein willkommener Partner von Desinformation und Propaganda, die demokratische Systeme und Wahlen destabilisieren will.
Warum eine eigene blaue Medienwelt?
Man könnte die freiheitliche Medienstrategie mit einem besonders kritischen Blickwinkel journalistischer Medien auf eine Partei erklären, die sich am rechten Rand des demokratischen Verfassungsbogens bewegt, von Nationalsozialisten gegründet wurde, und deren Fans und Proponenten sich immer wieder in der Nähe dieser Ideenwelt bewegen. Einem kritischen Blick auf eine Partei, deren Ideen streckenweise etwa Menschenrechte infrage stellen.
- Aber: Die FPÖ und ihre Ideenwelt spielte und spielt aber zugleich sehr eng mit dem Boulevard zusammen, der ebenso auf Wut und Angst und andere Emotionen setzt. Im Zusammenspiel mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache pushte Extremboulevardist Richard Schmitt in den 2010ern krone.at im Social-Media-Ping-Pong in lichte Reichweitenhöhen. Auch News und Profil machten in den 1990ern mit FPÖ-Chef Jörg Haider Auflage (die mit inhaltlich kritischen Stories).
Direkte, von Journalistinnen und Journalisten ungehinderte, ungeprüfte Kommunikation im Parteisinne an die eigene Klientel zu bringen: Das ist die Idee und Strategie, die längst nicht alleine freiheitliche ist. Die FPÖ begann nur schon sehr früh damit, digitale und soziale Medien mit viel Einsatz für sich zu nutzen.
Kopf hinter der freiheitlichen Medienwelt: Herbert Kickl, lange Kommunikationsstratege, Klubobmann und auch Mediensprecher der FPÖ, seit Mitte 2021 Parteichef.
Blaue Medienstrategie im O-Ton. Die Zusammenarbeit mit nicht von der Partei betriebenen, aber freiheitlich orientierten Portalen und Kanälen beschrieb Christian Hafenecker, Generalsekretär, Mediensprecher und Verbinder zu den nahestehenden Portalen Ende 2020 bei einem Vortrag vor Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD), aus dem Profil zitierte: "Bei den neuen Medien (...) gibt es eine strukturierte Vorgehensweise. Das heißt, wir haben regelmäßige Treffen mit den Chefredakteuren dieser Medien und Plattformen, und das ist institutionalisiert. Das heißt, man versucht sich wirklich gegenseitig zu helfen.“
Wirtschaftlich helfen konnte die FPÖ etwa als Regierungspartner der FPÖ 2017 bis 2019. Später öffentlich gewordene Chats dokumentieren gezielte Inseratenvergabe insbesondere auch an extrem rechte Portale, so sie auch FPÖ-freundlich agierten.
Die blaue Strategie geht auf – tiefe Skepsis gegenüber Medien
Eine Umfrage von Gallup und Medienhaus Wien über die Berichterstattung zur Nationalratswahl 2024 zeigt im Herbst 2024 die tiefe Skepsis von FPÖ-Sympathisant:innen gegenüber Nachrichtenmedien.
Laut dieser Umfrage von Gallup/Medienhaus Wien vom September 2024 haben FPÖ-Wähler:innen die höchsten Nutzungswerte zur Information über die Nationalratswahl 2024 im Vergleich der Parteisympathisantinnen bei:
- Alternativen Onlinemedien, die 19 % der FPÖ-Fans als Informationsquelle zur Nationalratswahl 2024 nennen, zweithöchster Wert bei SPÖ-Wähler:innen: 10 %.
- Gratiszeitungen mit 33 % unter FPÖ-Anhänger:innen; zweithöchster Wert 27 % bei SPÖ-Fans.
- Kronen Zeitung mit 38 %, praktisch gleichauf mit ÖVP-Wählerinnen mit 37 %.
- Private TV-Sender mit 59 %, zweithöchster Wert bei Neos-Fans mit 46 %.
ORF-Fernsehprogramme und ORF-Radioprogramme haben laut der Umfrage die geringsten Nutzungswerte unter FPÖ-Wähler:innen mit 64 % für TV (ÖVP-Fans mit zweitniedrigstem Wert: 72 %) und gar nur 31 % im Radio (SPÖ-Fans: 47 %).
Blaue Medienwelt – ein Überblick
Ich versuche hier einen raschen Überblick über wesentliche Portale und Player in der freiheitlichen Medienwelt – parteiische, parteinahe und Partei-Medien.
Parteimedien
Direkt von der FPÖ betrieben wird FPÖ-TV schon seit 2012 als Youtube-Kanal mit mehr als 200.000 Followern (Stand Mitte 2024), der etwa Pressekonferenzen, Reden und Statements von FPÖ-Politiker:innen überträgt und bündelt.
Social Media und Messerdienste von Facebook und Instagram bis Telegram ("Festung Österreich") nutzt die FPÖ seit den 2000er Jahren mit Erfolg, erst mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, nach dessen jähem Ibiza-Abgang mit Parteichef Herbert Kickl.
Die Neue Freie Zeitung ist eine gedruckte, wöchentliche Parteizeitung. Laut FPÖ-Parteiakademie erschien das offizielle Parteiorgan erstmals 1949 unter dem Titel Die Neue Front.
Die weite freiheitliche Medienwelt
Der Videokanal Auf1TV erscheint mir besonders auffällig und präsent, auch auf allerlei Protestkundgebungen und Demonstrationen etwa aus der Gemeinschaft der Impf- und Coronamaßnahmengegner in Österreich und Deutschland. 2023 sammelte Auf-Kopf Stefan Magnet intensiv Spenden mit dem Argument, er plane eine TV-Präsenz seines Angebots. Daraus wurde 2023 ein Programmfenster im weit rechten deutschen TV-Kanal Schwarz-Rot-Gold-TV (SRGT), das noch 2023 von der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten untersagt wurde, 2024 dann wieder auf SRGT kurzfristig auftauchte, bis SGRT seine TV-Lizenz im März 2024 aufgab.
Der Standard porträtierte die Auf1-Macher im November 2024.
RTV wird vom Standard in einem Überblick über die freiheitliche Medienwelt als während der Corona-Pandemie "radikalisierter Regionalsender" in Oberösterreich beschrieben, der zeitweise auch Auf1-Programme zeigte.
unzensuriert.at startete am 2. April 2017 den deutschen Ableger unzensuriert.de (die bei Google-Zugriffen hilft). Unzensuriert begann in Österreich schon 2009, da war Martin Graf (FPÖ) Dritter Präsident des österreichischen Nationalrats und Walter Asperl Grafs Büroleiter. Asperl managt unzensuriert. 90 Prozent hält „Unzensuriert-Verein zur Förderung der Medienvielfalt“, zehn Prozent hält Asperl selbst.
Zur Zeit ist ein gedrucktes Wochenmagazin, Herausgeber ist Andreas Mölzer, früher Bundesrat des freiheitlichen Kärnten, ehemaliger EU-Abgeordneter der FPÖ.
Info-Direkt, laut Eigendefinition „das Magazin für Patrioten“, erscheint sechsmal pro Jahr in Linz als Magazin. Alleineigentümer der Verlagsgesellschaft ist Geschäftsführer Michael Siegfried Scharfmüller, der sich laut Wiener Zeitung früher beim „neonazistischen Bund Freier Jugend (BfJ) engagierte“. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands sieht die Publikation als wichtigstes genuin rechtsextremes Printmedium in Österreich und beschreibt sie so: „Die Zeitschrift kleidet klassisch rechtsextreme Weltanschauung in ein modernes Gewand und lotet insbesondere in Form von omnipräsentem Antisemitismus, Volksgemeinschaftsdünkel, einer teils offen vertretenen antidemokratischen Stoßrichtung und quasi-revolutionärem Impetus die Grenze zum Neonazismus aus.“
Wochen-Blick gab im Dezember 2022 auf, als gedruckte Wochenzeitung wie als Onlinemedium. Geschäftsführer Norbert Geroldinger erklärt, der Betrieb sei wirtschaftlich nicht länger aufrechtzuerhalten.
Unser Mitteleuropa ist laut Rechercheplattform Correctiv.org Netzwerk und Plattform für die Weiterverbreitung von Inhalten von Rechtsaußen-Medien.
Die Plattform ist eine Art Katalysator für Meldungen anderer Rechts-außen-Medien, wie eine Recherche von Correctiv zeigte. Mehr als 700 Meldungen anderer Angebote soll "Unser Mitteleuropa" von Anfang 2021 bis Herbst 2022 teilweise übersetzt und wiederveröffentlicht haben. Hinter der Plattform steckte Peter H., der auch Bezüge zur neonazistischen Europäischen Aktion aufwies und für die FPÖ tätig gewesen sein soll. Die Plattform wird einer Briefkastenfirma in Großbritannien zugerechnet, aktiv war dort auch ein Pressereferent des Klimaministeriums, der deshalb freigestellt wurde. Nach Straßburg eingeladen war ein Mitarbeiter von "Unser Mitteleuropa", der auf Facebook mit Identitären befreundet ist und sich auf LinkedIn als Politikberater einer Kommunikationsagentur in London bezeichnet.
Alles Roger von Einkaufszentrumbetreiber Ronnie Seunig wurde schon 2019 eingestellt, Geschäftsführer dort war frühere FPÖ- und BZÖ-Politiker Peter Westenthaler, der 2024 für die FPÖ im ORF-Stiftungsrat wieder auftaucht.
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Updates
Der Architekt und Stratege einer eigenen freiheitlichen Medienwelt gab sein erstes TV-Interview nach dem Wahlsieg am 29. September 2024 nicht von ungefähr einem extrem rechten Sender.
Dass Auf 1 am Wahltag aus dem Medienzentrum des österreichischen Parlaments senden konnte, verdankt Stefan Magnets Kanal dem befreundeten oberösterreichischen Regionalsender RTV. Das Parlament erklärt den Platz im Hohen Haus mit der aufrechten Programmzulassung von RTV.
Walter Rosenkranz, der erste von der FPÖ gestellte Präsident des österreichischen Nationalrats, gibt kurz darauf im Oktober 2024 ebenfalls Auf1 ein Antrittsinterview.
Profil über "Alternativmedien als Kickls Krawall-Organe" (2023)
Profil über FPÖ-Chats zu Inseratenbuchungen aus 2019 (2024)
Der Standard über die freiheitliche Medienwelt (2024)
Correctiv.org über Auf1 (2023)
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