FPÖ und ÖVP 2000: Wie Freiheitliche mit der Volkspartei Medienpolitik machten
Inhalt
Dieses Thema ist auch relevant für:
Warum ist das wichtig?
- Österreich hat schon Erfahrungen mit der FPÖ in der Regierung gemacht, auch und insbesondere in der Medienpolitik.
- Ich zeichne in diesem Beitrag nach, wie die Regierung von ÖVP und FPÖ ab 2000 agierte. Damals waren die Freiheitlichen noch der kleinere Regierungspartner. Eine Timeline über die zweite Koalition von ÖVP und FPÖ ab 2017 findest du hier.
- Einige Grundzüge der Medienpolitik mit Freiheitlichen ähnelten bisher der Politik anderer österreichischer Regierungen: Sehr rasch versuchen sie, den größten Medienkonzern des Landes, also den öffentlich-rechtlichen ORF, mit Vertrauenspersonen zu besetzen.
- ÖVP und FPÖ haben 2001 ein neues ORF-Gesetz beschlossen, um den damaligen ORF-General vorzeitig durch eine Vertraute abzulösen. Chefredakteure und Direktor:innen wurden rasch getauscht.
- Peter Westenthaler war damals entscheidend beim schwarz-blauen Umbau des ORF und der Bestellung von Monika Lindner 2001 mit der ÖVP zur ORF-Generalin wie auch für ihre Ablöse 2006 gegen die ÖVP – einmal als FPÖ-Klubchef, einmal als BZÖ-Chef, beide Male als Regierungspartner der ÖVP. Ab Frühjahr 2024 ist Westenthaler lauter ORF-Stiftungsrat der FPÖ.
- 2025 sind die Freiheitlichen, wenn die Regierung mit der ÖVP zustandekommt, Kanzlerpartei und größerer Koalitionspartner. Ein neues ORF-Gesetz über die Besetzung der ORF-Gremien verlangt der Verfassungsgerichtshof. Eine Gelegenheit, die Führung abzulösen. Die FPÖ hat angekündigt, den ORF-Beitrag abzuschaffen.
- Die FPÖ hat eine eigene Medienwelt parteieigener und parteinaher Kanäle aufgebaut.
- In diesem Beitrag schaue ich zurück auf die ersten Jahre schwarz-blauer Medienpolitik von ÖVP und FPÖ ab 2000, später wurde aus Blau in der Regierung BZÖ-Orange.
Kontext: Die Medienpolitik von ÖVP und FPÖ ab 2000
Für einen Überblick über die Regierungsprogramme zur Medienpolitik seit 2000 habe ich die großen medienpolitischen Maßnahmen der Regierung von Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer so zusammengefasst:
Die erste Koalition von ÖVP und FPÖ unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) anno 2000 nahm sich im Regierungsprogramm viel vor und setzte einiges tatsächlich um:
- Bundesweites Privatfernsehen über Antenne wird erstmals erlaubt – damals der wichtigste Verbreitungsweg für TV.
- Überregionales Privatradio. Zusammenarbeit von bisher nur regionalen Privatradios wird erlaubt.
- Neues ORF-Gesetz mit Politikerverbot und Konkurrenzverbot in Aufsichtsgremien und Management. Mit offener statt geheimer Abstimmung über ORF-Chefs und Chefinnen – das motiviert zur Fraktionsdisziplin. Und mit einer direktdemokratischen Farce: 6 von 35 Publikumsräten werden direkt per Fax gewählt, drei von ihnen bekommen ein Mandat im Stiftungsrat. Die SPÖ mobilisierte weit erfolgreicher zum Faxen als die Regierungsparteien.
- Erstmals wird eine Medienbehörde eingerichtet – allerdings mangels Verfassungsmehrheit und mangels SPÖ-Unterstützung noch nicht unabhängig und weisungsfrei gestellt.
Aber: Der schwarz-blaue Tatendrang im Mediensektor hatte vor allem ein Ziel: Vorzeitig eine neue ORF-Chefin (Monika Lindner) und einen vertrauten zentralen Chefredakteur (Werner Mück) in der ORF-Information zu installieren.
Das medienpolitische Drehbuch der Regierung von ÖVP und FPÖ ab 2000
Hier werfe ich einen Blick zurück auf die Medienpolitik von Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Susanne Riess-Passer (FPÖ) ab 2000 in einer Timeline – von Peter Westenthalers "Interventionsbombardement" und der Drohung mit "Milliardenklage" gegen den ORF-General bis zum großen personellen Umbau im ORF mit einem neuen ORF-Gesetz.
Ich habe Ereignisse und Entwicklungen aufgenommen, die mir wesentlich erschienen. Falls dir etwas fehlt: Wie in jedem Beitrag auf diemedien. gibt es unten einen Kontaktlink – ich danke für Anregungen und Hinweise.
Mücks Wirken im ORF, die Redaktionsrevolte gegen ihn und seine Amtsführung samt Ergebnissen der internen Untersuchungskommission darüber fasse ich nach der Timeline über den Umbau des ORF zusammen. Und ebenso die Wende rückwärts im ORF gegen Lindner und Mück. Auch für sie war wiederum der freiheitliche Regierungspartner unter Führung von Peter Westenthaler entscheidend – nun als BZÖ in Orange statt Blau.
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Kabinett Schüssel-Riess-Passer: Die erste ÖVP-FPÖ-Regierung wird angelobt
4. Februar 2000
Die Regierungsmitglieder kommen durch einen unterirdischen Gang in die Hofburg zur Angelobung, um der Konfrontation mit Demonstranten und allfälligen Wurfgeschoßen zu entgehen. Die ÖVP und ihr Obmann Wolfgang Schüssel hatten vor der Nationalratswahl angekündigt, als drittplatzierte Partei in Opposition zu gehen. Die Chance auf den Kanzlerjob mithilfe der FPÖ lässt sie von dem Plan nach oder eher während Verhandlungen mit der stimmenstärksten SPÖ abrücken.
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Westenthaler intensiviert jahrelanges OTS-Bombardement des ORF
Februar 2000
FPÖ-Generalsekretär und ab 7. Februar 2001 auch Klubobmann Peter Westenthaler muss sich gegen den ORF nicht erst warmlaufen: Nach 296 Aussendungen zum ORF seit 1991 über „Manipulation“ und „rote Zensur“ erhöht er als Vertreter der neuen Regierungspartei einfach noch einmal die Schlagzahl.
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ÖVP/FPÖ tauscht Aufsichtsräte der Bundesregierung im ORF-Kuratorium
29. Februar 2000
5 SPÖ-Vertreter müssen raus, die FPÖ schickt Ex-Skispringer Hubert Neuper, Richter Ernest Maurer, Anwalt/Sportmanager Gerd Seeber. 6 Regierungsräte bekommt die ÖVP. Klubobmann Andreas Khol wird auch hier Fraktionschef, Peter Westenthaler (FPÖ) ist schon seit Juli 1999 im höchsten ORF-Gremium.
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ORF-Aufsichtsrat tagt erstmals mit schwarz-blauer Mehrheit
17. März 2000
17 schwarze und 6 blaue ORF-Kuratoren gibt es nun. 23 von 35 sind fast eine Zweidrittelmehrheit, die damals ORF-Chefs bestimmt. Von "Unabhängigkeit" hört man oft. Fraktionsführer im Kuratorium: die koalitionären Klubobleute im Nationalrat Andreas Khol (ÖVP), Peter Westenthaler (FPÖ). Bis sie ein Politikerverbot im obersten ORF-Gremium einführen, sitzen allerdings auch Politiker anderer Fraktionen im Kuratorium.
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"ZiB 2"-Chef gibt auf
20. Mai 2000
Johannes Fischer bestätigt seinen Rückzug als Chef von ZiB 2 und ZiB 3. Der zwischen links und grün eingeschätzte Journalist soll nun die politischen Diskussionsformate leiten. Auch da wird er mit der FPÖ noch einiges erleben, bis er auch diesen Job aufgibt.
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ÖVP/FPÖ verlangen Untersuchung von "Journal Panorama"
20. Juni 2000
Mit Mehrheit von ÖVP und FPÖ verlangt das ORF-Kuratorium (Vorläufer des ORF-Stiftungsrats) von ORF-General Gerhard Weis eine unabhängige Untersuchung etwa durch die Medienbeobachtungsfirma Mediawatch (heute APAdeFacto), ob das Hintergrund-Magazin Journal Panorama auf Ö1 nach dem Abendjournal, damals geleitet von zwei links eingeordneten Journalisten, "objektive Auswahl" und "breite Meinungsvielfalt" bietet.
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ORF-Redakteure protestieren gegen "unerträglichen" Politdruck
9. Oktober 2000
Die ORF-Redakteure machen "unerträglichen Druck der Regierungsparteien auf die Redaktionen" öffentlich, der bis zu persönlichen Einschüchterungsversuchen gehe. Sie berichten von "Interventions-Bombardement" von FPÖ-Klubchef Westenthaler. Und der ÖVP-Klub faxte demnach üppige Detailkritik an ZiB-Beiträgen samt Forderung "nach sofortiger Stellungnahme".
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ÖVP-FPÖ-Regierung ruft Nachdenkpause zum ORF aus
14. Oktober 2000
Nach dem Redakteursprotest und heftigen Diskussionen um Interventionen der Regierungsparteien im ORF verordnet sich die schwarz-blaue Regierung erst einmal eine "Nachdenkpause" für den ORF. FPÖ und Kronen Zeitung bringen eine Privatisierung des ORF in die Debatte, die FPÖ mit einer Umfrage. Die Krone schlagzeilt, in diskreter Abstimmung mit ORF-General Gerhard Weis, von "Volksaktien" am ORF.
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FP-Klubchef Westenthaler beschwert sich live in ORF-Debatte
5. November 2000
Peter Westenthaler (FPÖ) beschwert sich telefonisch während einer Sonntagabend-Diskussion des ORF von Journalisten und Politologen zur FPÖ und wird schließlich live in die Sendung durchgeschaltet. Sendungschef: der von Angriffen und Interventionen schon etwas zermürbte Johannes Fischer. Wesenthaler erinnert sich später im Standard-Interview: Er habe Fischer davor gewarnt, zum Thema FPÖ keine FPÖ-Vertreter einzuladen. Die Diskussion sei in "FPÖ-Bashing" abgeglitten, also habe er wie zuvor mit Fischer vereinbart angerufen. Er sei selbst überrascht gewesen, plötzlich live zugeschaltet zu sein.
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ÖVP und FPÖ streichen ORF Millionen aus Bundesbudget für GIS-Befreiungen
23. November 2000
Das neue ORF-Gesetz haben ÖVP und FPÖ nach lautstarken Protesten der ORF-Redakteur:innen zwar ein wenig vertagt. Aber eine von der Vorgängerregierung, also SPÖ und ÖVP, fixierte Abgeltung von GIS-Gebührenbefreiungen für den ORF aus dem Bundesbudget streichen ÖVP und FPÖ gleich wieder mit einem Budgetbegleitgesetz. Da geht es immerhin um zweistellige Millionenbeträge für den ORF: Ab 2021 sollte die Republik dem ORF zunächst ein Viertel, dann 2002 die Hälfte, 2003 75 Prozent und ab 2004 zur Gänze die durch GIS-Befreiungen entgehenden Millionenbeträge abgelten, sah das am 17. August 1999 verlautbarte Rundfunkgebührengesetz vor. ÖVP und FPÖ streichen die Abgeltung mit 1. Jänner 2001 vor der ersten Ausschüttung.
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Regierung berät Ansätze für neues ORF-Gesetz
13. Jänner 2001
Erste Ankündigungen der Regierung: ORF-Generalsbestellung mit einfacher statt Zweidrittelmehrheit im ORF-Aufsichtsrat, Politiker:innenverbot in ORF-Gremien.
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Regierungsenquete "Quo vadis, öffentlich-rechtlicher Rundfunk?"
17. Jänner 2001
Regierungsenquete zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Medienstaatssekretär Franz Morak (ÖVP) erklärt sich dort zum "Anwalt für unabhängigen Journalismus und Medienfreiheit, die in der Verfassung verankert ist". Moraks erlernter Beruf ist Schauspieler.
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Neue Besetzung für "Zeit im Bild"
13. Februar 2001
Stefan Gehrer, Sohn der Unterrichtsministerin, kehrt aus Brüssel in die ZiB-Redaktion zurück. Er wird von Oktober 2002 bis Ende 2003 die ORF-Hauptnachrichten Zeit im Bild um 19:30 Uhr moderieren; später kurz noch einmal Ende 2018. Hanno Settele kommt mit 1. März 2001 aus dem ORF-Radio als leitender Redakteur ins Innenpolitik-Team der Zeit im Bild um 19.30 Uhr.
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Medienbehörde beschlossen, dem Kanzler unterstellt
1. März 2001
ÖVP und FPÖ beschließen eine neue (erste) Medienbehörde KommAustria, dem Bundeskanzleramt unterstellt und einen unabhängigen Bundeskommunikationssenat als zweite Instanz. Eine Verfassungsmehrheit für eine weisungsfrei gestellte Medienbehörde scheiterte am 31. Jänner 2001 an SPÖ und Grünen.
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Eckpunkte für ORF-Gesetz, Weisenrat für Programmauftrag
13. März 2001
Die schwarz-blaue Regierung beschließt Eckpunkte für ein neues ORF-Gesetz. Ein "Weisenrat" soll den Auftrag präziser formulieren: Gerd Bacher, Langzeit-ORF-Chef, Alfred Payrleitner (früher ORF), Fritz Csoklich (Rundfunkvolksbegehren 1964, Kleine Zeitung), Heinrich Keller (Ex-SPÖ- und -ORF-Manager). Die Regierung kündigt zudem ein Gesetz an, das Privat-TV per Antenne erlaubt, damals der wichtigste Verbreitungsweg für bundesweites Fernsehen.
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ORF-Gesetz und Privatradiogesetz in Begutachtung
12. April 2001
Die schwarz-blaue Regierung schickt ORF-Gesetz und Privatradiogesetz ins Begutachtungsverfahren durch Sozialpartner, Verbände, Institutionen, Betroffene. Das ORF-Gesetz macht aus der öffentlichen Anstalt eine Stiftung, aus dem Kuratorium einen (gleich besetzten) Stiftungsrat, und der muss die ORF-Führung – nun mit einfacher Mehrheit – neu bestellen. Product Placement und andere Sonderwerbeformen werden beschränkt.
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KommAustria-Gesetz tritt in Kraft
30. April 2001
Das Gesetz über die Medienbehörde und das neue Privatradiogesetz tritt in Kraft. Das Privatradiogesetz lockert die Regeln für Beteiligungen von Medienhäusern an Privatradios. Krone und Kurier unternehmen deshalb einen ersten Anlauf zum überregionalen Radiosender. Erst ab 2004 gibt es dann tatsächlich bundesweite Radiofrequenzen, die erste und lange einzige bekommt Kronehit.
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Regierung verabschiedet "Medienpaket" mit ORF-Gesetz, einem Bundeszuschuss weniger für den ORF und einem Privatfernsehgesetz
29. Mai 2001
Die schwarz-blaue Regierung verabschiedet das "Medienpaket" mit ORF-Gesetz und Privatfernsehgesetz als Regierungsvorlage.
Dem ORF streicht die Regierung bei der Gelegenheit ab 2002 den Zuschuss des Außenministeriums für den Betrieb eines internationalen Kurzwellenprogramms namens Radio Österreich International. 2001 überweist das Außenministerium nach eigenen Angaben letztmalig 90 Millionen Schilling, immerhin 6,54 Millionen Euro.
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FPÖ kündigt Milliardenklage gegen ORF-Chef an
28. Juni 2001
FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler kündigt an, ORF-General Gerhard Weis wegen Untreue zu klagen. Eine Abmachung mit dem Zeitungsverband VÖZ aus 1999 – ein "medialer Grundkonsens" über medienpolitische Maßnahmen – sei ein "Vereinbarungskartell" mit Werbebeschränkungen für den ORF, argumentiert der damalige FPÖ-Klubchef. ORF und Gebührenzahlern sei ein Schaden von einer Milliarde Schilling entstanden, rund 73 Millionen Euro.
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ÖVP und FPÖ beschließen ORF-Gesetz und Privatfernsehgesetz
5. Juli 2001
Im Nationalrat beschließen ÖVP und FPÖ gegen die Stimmen der SPÖ und der Grünen das neue ORF-Gesetz und das Privatfernsehgesetz (das auch Peter Pilz unterstützt). Medienstaatssekretär Franz Morak (ÖVP) nennt das neue ORF-Gesetz einen "Akt der Befreiung". Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer (FPÖ) erklärt es zu einem "Befreiungsschlag von parteipolitischer Knebelung und Gängelung".
ÖVP und FPÖ streichen aber auch die geheime Abstimmung im obersten ORF-Gremium über die Funktion des ORF-Generaldirektors oder der Generaldirektorin. Und nun reicht im Stiftungsrat für die Bestellung eine einfache Mehrheit statt der bisher nötigen Zweidrittelmehrheit im ORF-Kuratorium.
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Erste Teile des neuen ORF-Gesetzes treten in Kraft
10. August 2001
Erste Teile des neuen ORF-Gesetzes treten in Kraft, bis 1. Jänner 2002 wird es komplett gelten. Bis dahin konstituiert sich ein neuer Stiftungsrat statt des Kuratoriums, und ein Publikumsrat (bisher Hörer- und Sehervertretung) mit Direktwahl von sechs aus damals 35 Mitgliedern. Die erfolgreiche Mobilisierung von Wählern kann Mehrheiten im Publikumsrat bringen, der wiederum sechs Stiftungsräte entsendet.
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Erste Faxwahl zum Publikumsrat abgeschlossen
25. September 2001
Die erste Direktwahl von sechs Publikumsräten per Fax nutzten nur rund 70.000 Menschen von rund 2,4 Millionen Wahlberechtigten. Die SPÖ schafft alle sechs Sitze und verhindert so eine breitere schwarz-blaue Mehrheit im Stiftungsrat.
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Die Nominierungsfrist für neue Stiftungsräte endet
3. Oktober 2001
Nominierungsfrist für den neuen Stiftungsrat mit genereller Politikerklausel. Wie bisher aber neun Ländervertreter, neun der Bundesregierung, sechs der Parteien im Nationalrat, fünf Betriebsräte, sechs Publikumsräte. Der Besetzungsschlüssel für den Stiftungsrat ist übrigens seit 1984 unverändert – nur dass das oberste ORF-Gremium bisher Kuratorium hieß.
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Neuer ORF-Stiftungsrat schreibt ORF-Generalsjob aus
31. Oktober 2001
Klaus Pekarek, damals den Freiheitlichen zugeordneter Chef der Kärntner Raiffeisenlandesbank, wird erster Vorsitzender des neuen ORF-Stiftungsrats, sein Stellvertreter Leopold März, der bürgerliche Rektor der Wiener Uni für Bodenkultur war seit 1999 Vorsitzender des ORF-Kuratoriums. In der ersten Sitzung schreibt Pekarek den Job des ORF-Generaldirektors aus.
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ÖVP und FPÖ ersetzen Weis durch Lindner
21. Dezember 2001
22 Stiftungsräte von ÖVP und FPÖ bestellen die bürgerliche Kandidatin Monika Lindner zur ORF-Generaldirektorin – nur Andreas Braun, der Tirol vertritt, stimmt nicht für Lindner. Sie löst Gerhard Weis vorzeitig ab – er ist bis Ende 2002 bestellt. Seine Bezüge sind bis dahin weiterzuzahlen. Weis versuchte bis zuletzt mit Unterstützung von Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ), seinen Job zu verteidigen. Westenthaler setzt sich durch. Noch am 28. Dezember schreibt Lindner die Direktorenjobs aus.
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Monika Lindner ist formell neue ORF-Generaldirektorin
1. Jänner 2002
Die bisherige ORF-Landesdirektorin in Niederösterreich versichert Profil in den ersten Tagen, sie werde keineswegs Chefredakteure und linke Redakteure einwechseln: "So ein Stiefel. Es gibt überhaupt keinen Grund, alles umzukrempeln und flächendeckend Sendungsleiter, Chefredakteure und Redakteure auszutauschen." Diese Aussage überholt sich rasch.
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Settele kritisiert Haider in ZIB-Analyse scharf
7. Jänner 2002
Hanno Settele, damals als FPÖ-Wunsch gehandelt, kritisiert in einer ZIB-Analyse Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider scharf, weil der Erkenntnisse des Verfassungsgerichshofs über zweisprachige Ortstafeln ignoriert. ORF-Generalin Lindner sieht eine "polemische Tendenz" in der Analyse, sie "erreicht die vom Objektivitätsgebot gesetzten Grenzen jedenfalls". Das Gesetz wurde nicht verletzt, entschied indes der Bundeskommunikationssenat. Settele geht bald danach als ORF-Korrespondent in die USA.
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Wunschliste eines bürgerlichen ORF-Redakteurs an den schwarzen Innenminister
Anfang 2002 schreibt ORF-Redakteur Gerhard Jelinek dem damaligen Innenminister Ernst Stasser von der ÖVP eine nach eigenen Worten "ziemlich große Wunschliste". Strasser, lange auch Fraktionschef der ÖVP-nahen ORF-Kuratoren, soll sich für Jelineks ORF-Karriere einsetzen. Der Mann bietet sich in dem Mail an für die "politisch interessanteste Position" des Chefredakteurs, als Hauptabteilungsleiter der TV-Magazine, "subsidiär" auch als Sendungschef des ORF-Politikmagazins Report, für das er arbeitet, für die Geschäftsführung der ORF-Vermarktungstochter Enterprise und als Leiter der ORF-Öffentlichkeitsarbeit. Er wird 2004 noch Report-Chef werden.
Die Stuhlprobe. Als Report-Chef wird Jelinek noch für einschlägige Schlagzeilen sorgen: Im Sommer 2006 bringt der Leiter des politischen ORF-Wochenmagazins Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) eigenhändig den Studiosessel für die ORF-Interviewreihe Sommergespräch zum Probesitzen ins Kanzleramt.
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Stiftungsrat bestellt ORF-Direktoren – mit zwei Ausnahmen
28. Februar 2002
34 von 35 ORF-Stiftungsräten stimmen für Lindners ORF-Direktoren: Gerhard Draxler, bisher Landesdirektor in Kärnten, wird Informationsdirektor, Reinhard Scolik, bisher Wien, Programmdirektor, Kurt Rammerstorfer, bisher Oberösterreich, Hörfunkdirektor. Sozialdemokrat Alexander Wrabetz bleibt kaufmännischer Direktor.
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Stiftungsrat bestellt fehlende ORF-Direktoren für Technik und Online
12. März 2002
FPÖ-Wunsch Roland Schwärzler, zuvor auch in der Vorarlberger Kommunalpolitik aktiv, wird erster Onlinedirektor des ORF. Andreas Gall verkauft seine vor allem für Ö3 tätige Technikdienstleistungsfirma Mondocom dem ORF und wird Technik-Direktor. Ein Jahr nach dem ersten schwarz-blauen Entwurf ist die neue Führung auf dem Küniglberg komplett – bis auf eine redaktionelle Schlüsselfigur.
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Werner Mück wird zentraler TV-Chefredakteur
25. April 2002
Der Bürgerliche Werner Mück, zuletzt Wissenschaftschef des ORF, wird zentraler Chefredakteur der TV-Information und der Magazine. Sein Umgang und seine sehr konkrete Vorstellung, was eine Geschichte ist, wird 2006 zu einer internen Untersuchungskommission führen und schließlich zur Ablöse von Generalin Monika Lindner. Zentraler Chefredakteur in der ORF-Generaldirektion, eher ein Frühstücksjob, wird Walter Seledec (FPÖ).
Wie Mück laut einem Untersuchungsbericht von 2002 bis 2006 seine Funktion als zentraler Chefredakteur ausübte und wie er von der Redaktion wahrgenommen wurde, beschreibe ich unten.
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Redakteursrevolte, Armin Wolfs Rede, Untersuchungskommission
17. Mai 2006
Gegen Werner Mücks zentrale Amtsführung rebellieren die ORF-Redakteur:innen schließlich auch öffentlich.
Spektakulär rechnet ZIB-2-Anchorman Armin Wolf am 17. Mai 2006 bei seiner Dankrede für den Robert-Hochner-Preis für kritischen TV-Journalismus ab mit dem System des ORF-Chefredakteurs.
"Extrem viel Macht in der Hand einer Person" sah Wolf bei Mück. Man könnte dieser Person nicht vorwerfen, dass sie diese Macht ausübte. "Aber in funktionierenden demokratischen Systemen wird Macht so geregelt und verteilt, dass auch die maximale Auslegung von Kompetenzen nicht zu einer einseitigen Machtkonzentration führen kann." Die ORF-Information brauche wieder "redaktionelle und inhaltliche Pluralität". Und: Vom Gleichgewicht des Schreckens von Rot und Schwarz auf dem Küniglberg sei "nur mehr der Schrecken geblieben".
Monika Lindner wies Wolfs Kritik als „unangemessenes Verhalten“ und als „Brandrede“ zurück. Das schürte den beginnenden Flächenbrand nur weiter. Schon forderten die ORF-Redakteure eine „umfassende Diskussion“ über Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ORF. Ende Mai 2006 stellten sich die Redakteure der ZIB öffentlich hinter Wolf und verlangten "inneren Pluralismus".
Eine Plattform namens SOS ORF formierte sich nach Wolfs Rede, am 29. Mai 2006 präsentierte sie sich der Öffentlichkeit. Sie sammelte im Internet Unterschriften gegen „die politische Gängelung des ORF“ und für intelligentes Programm, das dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht wird. Mehr als 70.000 unterstützten die Initiative, darunter Künstler, Schriftsteller, aktive und ehemalige ORF-Mitarbeiter.
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Der Untersuchungsbericht über Mücks Amtsführung
28. Juli 2006
Der ORF-Stiftungsrat verlangt im Juni 2006 mit großer Mehrheit, eine "Gruppe" solle die Vorwürfe gegen Werner Mück sammeln, prüfen und bewerten. Die Hälfte der "Gruppe" besetzte die Geschäftsführung, die andere die Belegschaftsvertretung. Der Bericht wird am 28. Juli 2006 veröffentlicht. Vorwürfe im Überblick, Anmerkungen in Klammern:
- Redakteure sahen für die schwarz-blaue Regierung und ihr Nahestehenden wie Raiffeisen "unangenehme Themen" von der ZIB-Berichterstattung "ausgenommen oder verkürzt", andere fühlten sich zur Betonung von Erfolgen der ÖVP gedrängt.
- Über die rote Affäre um Bawag und ÖGB gab es eigene Sondersendungen (Runde Tische), über die Spaltung der Regierungspartei FPÖ nicht. (Dafür gab es 2008 unter General Alexander Wrabetz und Infodirektor Elmar Oberhauser für alles und jedes einen Runden Tisch, nicht aber für die Ablöse Alfred Gusenbauers als SPÖ-Chef.)
- Kanzler Wolfgang Schüssel bekam ein ZIB 2-Interview als Aufzeichnung mit einem anderen Redakteur, damit er sich nicht den Fragen von ZIB 2-Moderator Armin Wolf stellen musste.
- Mück hat laut Kommission Wolfs journalistische Freiheit "unzulässig eingeschränkt", indem er ihm nach einem kritischen Interview mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit Ablöse gedroht habe.
- Andere Redakteure kritisierten die verzögerte Berichterstattung in Grassers Homepage-Affäre. (Das hat allerdings durchaus Tradition im ORF: Von der roten Euroteam-Affäre hörte und sah man 1999 unter General Gerhard Weis in den ZIBs wochenlang nichts, und als dann doch, verschwanden aus dem Beitrag auf wundersame Weise just jene acht Sekunden vor der Ausstrahlung, in denen der in die Affäre verwickelte Sohn von Kanzler und SPÖ-Chef Viktor Klima vorkam.)
- Mück hat Redaktionskonferenzen, in denen auch einfache Redakteur:innen über Themen und Beiträge mitdiskutieren konnten, 2002 zunächst ganz abgeschafft und erst nach monatelangen, auch öffentlichen Protesten wieder eingeführt. Debatten stören nur bei der Umsetzung politischer Wünsche, könnte man als Motiv vermuten.
- Insider sagten Mück als Chefredakteur ständigen Telefonkontakt insbesondere mit dem damaligen Klubobmann und Mediensprecher der ÖVP, Wilhelm Molterer, nach. "Blödsinn", wies Mück das von sich. Kabarettist Alfred Dorfer, mit Regierungs- und ORF-Kritik in seiner ORF-Sendung Donnerstalk eine rare Ausnahme im Lindnerfunk, prägte für diesen heißen Draht den Begriff des "Moltofons". (Dafür war schon Andreas Rudas bekannt, dessen Wechsel vom Generalsekretär des ORF unter General Gerhard Zeiler zum Bundesgeschäftsführer der SPÖ 1997 wenig an seiner Anruffrequenz in den Redaktionen der Anstalt geändert haben soll.)
- Heftiger als in Sachen Manipulation fiel der Befund der Kommission über den Umgang Mücks mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus: "In auffälliger Fokussierung" auf das Inlandsressort seien „das Arbeitsklima tangierende herabwürdigende und beleidigende Äußerungen auch frauenfeindlicher Art im Umlauf“. Sie seien "den Vorgesetzten berechtigt zum Vorwurf zu machen". Politische Zuordnungen und "unsensibel formulierte Qualifizierungen" würden in der Weitergabe an Betroffene "zu beleidigenden, kränkenden und herabwürdigenden Botschaften", so der Bericht.
Mück bleibt nach dem Bericht Chefredakteur, er wird sogar als möglicher Generalskandidat der ÖVP gehandelt. Doch Monika Lindner wird mit freiheitlicher Unterstützung ein anderer im Generalsjob ablösen.
Die Empfehlung, eine Untersuchungs-"Gruppe" über Mücks Schaffen einzurichten, war am 13. Juni 2006 die Generalprobe dafür im Stiftungsrat. Die freiheitlichen Regierungspartner der ÖVP, nun das orange BZÖ mit Obmann Peter Westenthaler, stimmten mit SPÖ, Grünen und Co für die Mück-Untersuchung.
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Das Ende einer ORF-Wende: Freiheitliche Regierungspartner nun gegen ÖVP
Am 17. August 2006 stimmt das BZÖ unter Peter Westenthaler kurz vor der Nationalratswahl 2006 mit der SPÖ, den Grünen, der FPÖ und Unabhängigen für den bisherigen ORF-Finanzdirektor und Sozialdemokraten Alexander Wrabetz als ORF-Generaldirektor ab 2007.
Das dürfte einerseits eine Revanche an Kanzler Wolfgang Schüssel und der ÖVP für den Umgang mit Westenthaler und dem BZÖ in der gemeinsamen Regierung gewesen sein.
Zumindest ebenso wesentlich dürften die personellen Zusagen von Alexander Wrabetz gewesen sein: Gleich drei von sechs ORF-Direktorenjobs gibt es für die entscheidende Zustimmung der Orangen bei der Generalswahl: Elmar Oberhauser als Infodirektor, Thomas Prantner als Onlinedirektor und der bisherige Kärntner ORF-Landesdirektor Willy Mitsche als Radiodirektor. Weit mehr Wunschkandidaten der Freiheitlichen als bisher in Lindners Team.
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