Parteimedien, parteinahe und parteiische Portale – und Propaganda
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Warum ist das wichtig?
Parteinahe und parteiische Portale tun so, als wären sie journalistische Medien. Sie verfolgen aber ein anderes Ziel, das am Ende auf parteiische und weltanschauliche Propaganda hinausläuft. Ihre Inhalte bestimmt ein zielgerichteter, parteiischer Fokus.
- Die Idee und Aufgabe von Journalismus ist hingegen, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Unabhängig davon, ob das den eigenen Erwartungen und jenen des Publikums entspricht.
- Die FPÖ hat sehr früh, sehr konsequent und sehr erfolgreich ihre eigene blaue Medienwelt aufgebaut, um ihre Klientel an journalistischen Medien vorbei direkt und journalistisch unbehelligt, ungeprüft anzusprechen. Praktisch alle anderen Parteien haben (wieder) mit unterschiedlichem Erfolg nachzuziehen versucht.
- Ich habe ein paar Mal überlegt, ob ich in diesem Lexikonstichwort Propaganda in den Titel aufnehme; der Begriff bezeichnet die Rolle und Aufgabe dieses Genres sehr hart, aber doch treffend. Manche parteiische und parteinahe Portale sehr treffend, andere sind etwas näher an journalistischem Handwerk unterwegs.
- Die Wahrheit versprechen auch die parteiischen und parteinahen Portale. Sie werfen journalistischen Medien vor, die Wahrheit zu verschweigen. Und stellen ihren Fokus als die ganze Wahrheit dar. Um die Erwartungen ihrer Klientel zu bestätigen.
Parteiische Portale versuchen so, Vertrauen in Journalismus und journalistische Medien zu untergraben, sie zu desavouieren und für ihr Publikum selbst deren Position zu übernehmen. Motto: Wir sagen euch die wahre Wahrheit (und sind doch in Wahrheit Propagandisten).
- Journalistischer Anspruch will Realität darstellen und erklären, einordnen, und ja, er kommentiert sie auch. Es ist nicht seine Aufgabe, sie mit Emotion aufzuladen, Wut zu schüren oder Angst. Ja, es gibt daneben auch den Boulevard, der genau das immer schon tat. Der ist dieser meiner Definition nicht mitgemeint.
- Parteiische Portale haben diesen Anspruch nicht. Sie können, sie wollen Emotion schüren, Wut und Angst insbesondere. Und auf diese Emotionen sind Algorithmen digitaler Plattformen und sozialer Medien trainiert. Emotion macht Engagement, steigert Aufmerksamkeit und Zeit, die Werbegeld ist.
- In diesem Genre, das auf Realitätsnähe nicht ganz soviel Wert legt, stören die Schwächen großer Sprachmodelle, Künstlicher Intelligenz (KI) mit der Wirklichkeit nicht so sehr wie im Journalismus. Sie helfen bei Produktion und Verbreitung von Desinformation.
Parteiische Medien können praktische Partner von Desinformation zur Destabilisierung politischer Systeme sein. Einige extrem rechte und rechtskonservative Portale übernehmen etwa russische Narrative und Propaganda in Zeiten des russischen Eroberungskriegs gegen die Ukraine.
Ja, auch traditionelle Medien wurden und werden vielfach von der Politik geködert, mit Informationen, Werbegeld, erwünschten Gesetzen, und manche ließen und lassen sich einspannen. Sie sind in dieser meiner Definition von Journalismus nicht mitgemeint.
In diesem Beitrag versuche ich einen raschen Überblick zu Parteimedien, parteinahen und parteiischen Portalen aus, in und für mehrere politische Richtungen.
Zur besonders großen, besonders ausdifferenzierten freiheitlichen Medienwelt gibt es ein eigenes Stichwort: FPÖ-Medien und freiheitliche Sender und Portale: Die blaue Medienwelt
Der extrem rechtskonservativen Spezialfall Exxpress, seit 2024 mit dem zumindest so weit rechten deutschen Krawallportal Nius an Bord muss auch in einem eigenen Stichwort beschrieben werden.
Hier geht es um Medien, die Parteien nahestehen, von Parteien betrieben oder finanziert werden, von parteinahen Menschen oder Organisationen oder mit einer besonderen parteipolitischen Ausrichtung. Das ist ein weites, in vielen Nuancen und Abstufungen schillerndes Feld. Ich gliedere es, sehr grob, in erkennbare politische Nähe. Eine Zuordnung zu einer politischen Richtung bedeutet nicht automatisch: das ist ein Parteimedium ‒ das würden viele auch vehement zurückweisen.
Von freiheitlich bis extrem weit rechts
Die FPÖ suchte den direkten Zugang über eigene Medien recht früh.
2007 startete FPÖ-TV vor allem via YouTube. 2009 begann unzensuriert.at, getragen von Mitarbeitern des damaligen Nationalratspräsidenten Martin Graf von der FPÖ, mit einigem Erfolg auch in Deutschland.
Die Facebookseite Heinz-Christian Strache war bis zum Ibiza-Abgang des Parteichefs ein zentrales Parteimedium, damals größte Präsenz eines österreichischen Politikers auf der Plattform.
Die Neue Freie Zeitung ist eine klassische wöchentliche Parteizeitung.
Ideologisch nahe standen und stehen der FPÖ etwa Zur Zeit (Herausgeber: Krone-Kolumnist Andreas Mölzer) und die inzwischen eingestellte Aula, wiedererstanden in Freilich, sowie der im Herbst 2022 auf Papier wie online eingestellte Wochenblick in Oberösterreich. In Oberösterreich findet sich ein Cluster mit weit rechts stehenden Outlets wie Auf1 TV, Report24 und Info-Direkt.
FPÖ-Medien und freiheitliche Sender und Portale: Die blaue Medienwelt
Weit rechtskonservativ bis bürgerlich
Exxpress-Gründungschefredakteur Richard Schmitt hat schon im Social-Media-Pingpong mit Heinz-Christian Strache krone.at hochgezogen, er weiß, welche Themen aufregend gut klicken. Der Exxpress, gestartet im März 2021, bewegt sich nun zwischen russischen und freiheitlichen Quellen, Establishmentbashing und Support für die ÖVP. Herausgeberin und größte Gesellschafterin Eva Schütz ist die mittlerweile getrennt lebende Frau von Investor und ÖVP-Spender Alexander Schütz, der schon mit Heinz-Christian Strache über „rote Zecken“ in Medienunternehmen chattete. Seit Frühjahr 2024 ist das ähnlich krawallige deutsche Nius beteiligt.
Der ÖVP-Parlamentsklub hat im Februar 2021 zur-sache.at gegründet, bisher eher wenig beachtet.
Sebastian Kurz hat seine Social-Media-Accounts nach seinem Abgang 2021 mitgenommen; seine türkise ÖVP setzte stark auf WhatsApp- und Mailansprache.
In Oberösterreich betrieb die ÖVP bis Ende 2023 über einen Treuhänder Österreichs letzte gedruckte Parteitageszeitung, das Oberösterreichische Volksblatt. Weil man das Blatt hat, habe man kein Problem mit Parteispenden, erklärte der ehemalige Landeshauptmann und Landesparteichef Josef Pühringer einmal recht offen: „Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren.“ Seit Jahresende 2023 gibt es das Volksblatt nur noch digital und als kostenlos verschicktes Monatsmagazin.
Sozialdemokratisch rosa bis rot
Der SPÖ-Parlamentsklub betreibt seit Juli 2016 kontrast.at – wo man wohl zurecht ungern in einer Liste mit Info-Direkt und Auf1 TV genannt wird.
Die SPÖ-nahe Leykam AG reanimierte die 2001 eingestellte, sehr parteinahe Tageszeitung Neue Zeit digital im Herbst 2020.
Der sozialliberale Thinktank Momentum-Institut hat Moment.at.
Linksgrüner Boulevard
Linker Boulevard war das erklärte Ziel des Ex-Grünen, ExListengründers Peter Pilz für Zackzack.at. Der Aufdecker finanzierte die Plattform mit 1,2 Millionen aus Mitteln für die Parteiakademie seiner Liste Jetzt, die 2019 aus dem Nationalrat flog. Viele Enthüllungsstorys und einige Millionenklagen unter anderem von René Benkos Signa überlebte es. Im Frühjahr 2023 kündigte Pilz große Teile der Mannschaft, rief zu Spenden auf, da sonst die Einstellung drohe. Er macht doch weiter ‒ aber nicht mehr tagesaktuell und als „Forum“ definiert mit Gastautoren.
Pink und Grün
Die Neos betreiben ein Onlinemedium namens Materie.
Die Grünen und ihre Parteiakademie Freda bastelten etwa an einem gleichnamigen Parteimedium.
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Der Architekt und Stratege einer eigenen freiheitlichen Medienwelt gab sein erstes TV-Interview nach dem Wahlsieg am 29. September 2024 nicht von ungefähr einem extrem rechten Sender.
Dass Auf 1 am Wahltag aus dem Medienzentrum des österreichischen Parlaments senden konnte, verdankt Stefan Magnets Kanal dem befreundeten oberösterreichischen Regionalsender RTV. Das Parlament erklärt den Platz im Hohen Haus mit der aufrechten Programmzulassung von RTV.
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