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Werbung öffentlicher Stellen: Österreichs Medientransparenz

418 Millionen Euro gaben öffentliche Stellen 2024 in Österreich für Werbebuchungen aus – Ministerien, Länder, Gemeinden, öffentliche Firmen und Organisationen. Einige verstehen diese Buchungen als informelle Medienförderungen, und so wirken sie auch. Ermittlungen wegen des Verdachts der Inseratenkorruption kosteten schon einen österreichischen Bundeskanzler den Job.
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Zuletzt aktualisiert
April 16, 2025

Warum ist das wichtig?

  • Werbebuchungen öffentlicher Stellen in Österreich sind im internationalen Vergleich herausragend hoch.
  • Die Daten und Studien des Medienhaus Wien (Scheinbar transparent, PDF-Link) zeigen einen Schwerpunkt der Buchungen in Boulevardmedien, der sich nicht durchgängig mit Nutzungsdaten erklären lässt.
  • Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt ab 2021 auch mit Hausdurchsuchungen mögliche Zusammenhänge zwischen öffentlichen Werbebuchungen und inhaltlichen Erwartungen in oder Versprechungen durch einzelne Boulevardmedien. Sebastian Kurz trat wegen solcher Ermittlungen im Oktober 2021 als Bundeskanzler und wenig später als ÖVP-Obmann zurück.
  • 418 Millionen Euro Werbebuchungen meldeten öffentliche Stellen für das Jahr 2024 der Medienbehörde. Von 2012 bis 2023 galten Ausnahmen etwa für nicht periodische Medien und Plakate. 2023 wurden 193 Millionen Euro gemeldet,
  • Öffentliche Werbebuchungen werden teilweise als informelle Medienförderungen eingesetzt – und haben insgesamt deutlich mehr Volumen als formelle Medienförderungen an private Medien.
  • Öffentliche Stellen müssen ab 2024 bei größeren Kampagnen öffentlich darlegen, welche Kampagnenziele sie verfolgt und erreicht haben.
  • Wien, über viele Jahre größter öffentlicher Bucher, tut das schon seit 2022 mit einem eigenen Jahresbericht der Stadtkommunikation.
  • Wien erklärt die hohen Buchungen damit, dass in anderen Bundesländern Städte und Gemeinden extra melden, die Bezirke Wiens aber mit der Stadt.

Der Vorwurf angeblicher "Inseratenkorruption"

Werbebuchungen öffentlicher Stellen ‒ pointiert von Opposition und vielen Medien als angebliche "Inseratenkorruption" beschrieben ‒ beschäftigen in den 2020er-Jahren die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Der Verdacht: Öffentliche Werbebuchungen wären von Sebastian Kurz’ Getreuen in der ÖVP eingesetzt worden, um Wohlwollen und wohlwollende Berichterstattung für Kurz zu unterstützen, abgeleitet aus den sichergestellten Chats von Thomas Schmid. Kurz weist diese Vorwürfe stets als falsch zurück.

Schon gegen Werner Faymann (SPÖ) ermittelten die Behörden wegen ähnlicher Verdachtsmomente, die Ermittlungen gegen den roten Kanzler wurden schließlich eingestellt. Die ÖVP-Getreuen von Sebastian Kurz lernten offenbar. Sie entwickelten das sogenannte „Beinschab-Österreich-Tool“: Umfragen im Sinne der ÖVP, finanziert vom Finanzministerium, durchgeführt vom damaligen Marktforschungsinstitut von Sabine Beinschab im Zusammenspiel mit Sophie Karmasin (2014 bis 2017 Familienminsterin, ÖVP). Beinschabs Institut arbeitete parallel auf ÖVP-Vermittlung für Österreich, wo etwa das ÖVP-geführte Finanzministerium eifrig inserierte.

Bei der Mediengruppe Österreich gab es zu den Verdachtsmomenten 2021 Hausdurchsuchungen, bei Heute im Zuge von Ermittlungen gegen die Dichands 2023.

Dichands wie Fellners weisen die Vorwürfe entschieden als falsch zurück.

Woher kommt Österreichs "Medientransparenz"?

Seit Mitte 2012 verpflichtet in Österreich ein sogenanntes Medientransparenzgesetz öffentliche Stellen, ihre Werbebuchungen der Medienbehörde KommAustria zu melden, die sie dann veröffentlicht. Der Anlass damals: Die intensiven Werbebuchungen der Stadt Wien und insbesondere im Bereich von Werner Faymann als Wohnbaustadtrat, später in seinem Einflussbereich als Infrastrukturminister und schließlich als Bundeskanzler, insbesondere in Boulevardmedien von Krone über Österreich bis Heute fielen auf. Mitbewerbern aus Politik und Medien, Journalistinnen und Journalisten sowie der Staatsanwaltschaft Wien, die gegen Faymann ermittelte, weil sein Kabinettschef auf die dem Ministerium unterstellten ÖBB eingewirkt habe, für eine Krone-Kooperation im Sinne Faymanns ordentlich zu buchen. Diese Ermittlungen wurden 2013 eingestellt.

Wie funktioniert die Medientransparenz neu ab 2024?

Mehr als 5000 öffentliche Stellen vom Bundeskanzleramt bis zu den ÖBB, die vom Rechnungshof geprüft werden, müssen nun ab 2024 halbjährlich (davor quartalsweise) ihre Werbebuchungen der KommAustria melden, die sie auf www.rtr.at veröffentlicht.

Neu ab 2024:

  • Buchungen bei nicht periodischen Medien sind nun ebenfalls zu melden, also etwa Plakatwerbung, Sportsponsoring.
  • Die bisherige Ausnahme von Buchungen unter 5000 Euro pro Quartal von der Meldepflicht wurde gestrichen. Auch kleinere Buchungen sind zu melden.
  • Für alle Kampagnen mit "Werbeleistungen" von mehr als 10.000 Euro pro Halbjahr müssen die öffentlichen Stellen der KommAustria auch die geschalteten Sujets übermitteln, die sie, wie die Beträge, veröffentlicht.
  • Über Kampagnen ab 150.000 Euro müssen die öffentlichen Stellen einen erklärenden Bericht auf ihrer Webseite veröffentlichen.
  • Ab einem Kampagnenvolumen von einer Million Euro müssen sie eine – interne oder externe – Wirkungsanalyse zur Kampagne erstellen oder erstellen lassen und diesen auf ihrer Webseite publizieren.

Werbebuchungen 2024 – erstmals ohne Ausnahmen

Daten über das erste Kalenderjahr ohne Ausnahmen von der Meldepflicht liegen seit 15. April 2025. Meine erste, sicher grobe Auswertung: 

Übersicht Medientransparenz-Meldungen bei der RTR.

Ab 2024 visualisiert die RTR die Daten aus der Medientransparenz.

Wann kommen die Daten? Die Medienbehörde KommAustria veröffentlicht die Daten über die Buchungen in der ersten Jahreshälfte am 15. Oktober desselben Jahres; die Daten über die zweite Jahreshälfte bis 15. April des Folgejahres.

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