Die großen Kämpfe um die Krone – die Geschichte ewigen Streits um Österreichs medialen Machtfaktor
Inhalt
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Warum ist das wichtig?
- Die Kronen Zeitung ist Österreichs größte und einflussreichste Tageszeitung, gedruckt auch 2025 noch deutlich größer als alle Konkurrenz und online eine der größten Newsplattformen im Land.
- Österreichs Politik achtet wie seit Jahrzehnten genau auf die Stimmungslage, die ihr die Kronen Zeitung signalisiert.
- Seit der Journalist Hans Dichand die Kronen Zeitung mit dem Unternehmer Kurt Falk 1959 wiedergründete, und die beiden das Blatt ohne wesentliche Skrupel zu ihrer übermächtigen Größe führten, herrscht Streit unter den Gesellschaftern. In diesem Beitrag zeichne ich die Geschichte dieser inneren Kämpfe möglichst kompakt nach.
- 2025 dürfte der jahrzehntelange, mit vielen Mitteln und vor unzähligen Gerichten geführte Kampf der Dichands mit den deutschen Mitgesellschaftern von der Essener Mediengruppe Funke auf ein Ende zusteuern.
- Die nächste Kampfzone um die Krone – nun innerhalb der Eigentümerfamilie Dichand – ist aber längst eröffnet.
Kontext: Das Wichtigste über die Krone
Das Wichtigste über die Kronen Zeitung findest du in meinem Überblicksbeitrag Kronen Zeitung – Österreichs mächtiger Boulevardriese.
Das Wichtigste über die Gründerfamilie und Gesellschafterin der Krone findest du unter Dichand – Österreichs mächtige Medienfamilie um Kronen Zeitung und Heute.
Die großen Kämpfe um die Krone
Welche großen Kämpfe tobten um Österreichs mächtiges Kleinformat? Schon die beiden Gründer der heutigen Kronen Zeitung, der Journalist Hans Dichand (1921 bis 2010) und der Manager Kurt Falk (1933 bis 2005), waren ein kongeniales Duo, um das Kleinformat gnadenlos groß zu machen. Aber aus den Partnern, die erst in spektakulären Kämpfen mit Gesellschaftern Hälfteeigentümer der Krone wurden, wurden rasch erbitterte Feinde. Und so ging es weiter mit der deutschen Funke-Gruppe, die 1987 die Krone-Anteile von Kurt Falk übernahm. Und so geht es nun weiter innerhalb der Familie Dichand, wenn die Funke-Gruppe sich zurückzieht – mit Verkauf oder mit Kündigung der Krone-Gesellschaften.
Die großen Kämpfe seit 1959 im schnellen Überblick.
- SPÖ gegen Dichand und Falk. 1966 versuchte die SPÖ, die Kronen Zeitung unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Gewerkschaftschef, SPÖ-Politiker und zwischendurch auch Innenminister Franz Olah hat die Wiedergründung der Krone 1959 ermöglicht, indem er Kredite mit Gewerkschaftsvermögen besicherte (er empfahl Dichand auch Kurt Falk als Geschäftsführer). Olah dürfte auch (über Treuhänder) Krone-Anteile besessen haben. Die SPÖ beansprucht diese, ein Gericht lässt die Krone deshalb vorübergehend unter kommissarische Verwaltung stellen; die Partei scheitert schließlich aber vor Gericht.
- ÖVP/Kurier gegen Dichand und Falk. 1970 versucht Kurier-Miteigentümer und ÖVP-Politiker Leopold Helbich mit anderen Unternehmern, Anteile von Olah beziehungsweise dessen deutschem Treuhänder zu übernehmen. Krone-Geschäftsführer und Gesellschafter Kurt Falk vereitelt das – mit auch rechtlich gewagten Manövern. Falk droht auch, im Gegenzug den Kurier unter seine Kontrolle zu bringen.
- Hans Dichand gegen Kurt Falk. Die beiden Gründer und Masterminds von Erfolg, Größe und Macht der Kronen Zeitung wurden erbitterte Feinde. Falk verließ das Management im Streit über ein Redaktionsstatut 1974 und wartete nur darauf, dass Dichand seine vereinbarten Gewinnvorgaben verfehlt und er wieder die operative Führung der Krone übernehmen kann. Als Falk 1985 die Ganze Woche gründet und die Krone ihn wegen Konkurrenzverbots klagt, schlägt er 1986 eine Trennung vor. Erst soll Dichand binnen eines halben Jahres das Geld für einen Kauf von Falks Anteilen organisieren, andernfalls darf Falk Dichands Hälfte übernehmen. Um den Einstieg beim damaligen Gewinngiganten Krone reißen sich 1986/1987 die deutschen Verlagskonzerne Bauer und Funke (damals WAZ-Gruppe) sowie Ringier aus der Schweiz. Funke bekommt den Zuschlag – mit gewaltigen Gewinngarantien und Vorrechten für Dichand und seine Erben.
- Funke gegen Dichand. Über die 1987 vereinbarten Gewinngarantien und Vorrechte für Hans Dichand und seine Erben sowie über die Führung der Krone werden Funke-Gruppe und Dichands die nächsten Jahrzehnte streiten – ab 2001 auch öffentlich, mit Dutzenden Schiedsverfahren und einer Vielzahl von Gerichtsverfahren bis hinauf zu Höchstgerichten in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Über die Besetzung von Chefredakteuren – ab 2001 legte sich die Funke-Gruppe etwa gegen Christoph Dichand als Chefredakteur quer. Seit dem Tod seines Vaters 2010 ist er nun auch Herausgeber.
- Dichand gegen Benko. Die Funke-Gruppe befeuert den Clinch mit den Dichands, als sie um den Jahreswechsel 2018/19 die Signa-Gruppe von René Benko an ihrer Holdinggesellschaft beteiligt, in der sie ihre Anteile an Krone und Kurier geparkt hat. Benko will die Funke-Anteile komplett übernehmen, scheitert aber an den kaum zu lösenden Rahmenvereinbarungen über Vorrechte und Vorkaufsrechten der Dichands. Die Krone kampagnisiert konsequent gegen Benko. Der scheitert mit seinem wirtschaftlichen Kartenhaus Ende 2023.
- Krone gegen Kurier. Die Funke-Gruppe steigt 1988 auch bei Österreichs damals zweitgrößter Tageszeitung Kurier ein. Unter deutscher Regie legen Krone und Kurier ihre Verlage im gemeinsamen Zeitungskonzern Mediaprint zusammen. Bis ins Jahr 2025 treffen dort die drei Gesellschafter – Dichand für die Krone, Raiffeisen für den Kurier und Funke für beide, teils mit Stimmrechtsbindungen – verlegerische Entscheidungen für beide Titel gemeinsam. Seither streiten Krone und Kurier und ihre Gesellschafter von der Gewinnverteilung in der Mediaprint bis zu Abopreisen und Druckterminen. Die Zusammenarbeit in der Mediaprint könnte auch ohne die Funke-Gruppe noch für einigen Konfliktstoff sorgen.
- Dichand gegen Dichand. 2025 sieht es stark nach einem Rückzug der Funke-Gruppe aus der Krone (und dem Kurier) aus. Doch der nächste Krone-Streit entbrennt, bevor sie tatsächlich Adieu sagen kann. Nun in der Familie Dichand.
Dichand gegen Dichand – die nächste Konfliktzone
Mit Christoph Dichand, Herausgeber und Gesellschafter, ist die Funke-Gruppe schon im Herbst 2024 grundsätzlich handelseins über die Eckpunkte des Ausstiegs.
Christophs älterer Bruder Michael ist bereit, mit ihm die Krone zu übernehmen.
Doch da ist noch ihre Schwester Johanna, die ebenfalls 12,5 Prozent an der Krone hält und die Verfügung ihrer im Juni 2024 verstorbenen Mutter Helga nicht so eindeutig findet, dass Christoph zu seinen 12,5 Prozent noch Helgas 12,5 Prozent erben soll. So ein Erbverfahren kann sich ziehen: Jenes nach dem Tod von Hans Dichand 2010 zog sich bis 2017.
Johanna fordert laut Trend für ihren Rückzug aus der Krone aus der Dichandschen Kunstsammlung die auf 60 Millionen Euro geschätzte Danae von Gustav Klimt. Daraus wird, jedenfalls zunächst, nichts. Unpraktisch daran: Das wäre eine für die Funke-Gruppe wie die Käufer unter den Dichands sehr steuergünstige Lösung gewesen.
Variante 2 für den Krone-Deal hat eine Komponente, die schon über Jahrzehnte bei der Funke-Gruppe für beständigen Zoff sorgte: eine Gewinngarantie. Die Variante dürfte etwa so aussehen: Johanna bleibt an Bord, verlangt aber eine Gewinngarantie, nun innerhalb der Familie. Und zwar in Summe für alle Geschwister einen einstelligen Millionenbetrag pro Jahr, der über fünf liegen soll. In dieser Variante könnte auch Heute-Herausgeberin Eva Dichand eine tragende Rolle spielen.
Die Funke-Gruppe (und ebenso der Insolvenzverwalter, bei dem noch die Signa-Anteile liegen) soll auf eine Garantie der Käufer, also insbesondere Christoph Dichands, bestehen, dass Johanna Dichand einen Kauf nicht anficht. Auch kein einfaches Unterfangen, soweit von außen zu erkennen.
Variante 3 gibt es auch noch, für den Fall, dass die beiden Kaufvarianten nicht bis Mitte 2025 unterschrieben sind. Die Funke-Gruppe hat schon 2024 signalisiert, dass sie auch zu einem spektakulären Mittel greifen würde, wenn die Geschwister nicht zu einem Deal kommen. Ich habe im Standard schon darüber berichtet und die Variante vielleicht etwas drastisch eine kontrollierte Sprengung der Krone genannt. Die Variante dürfte die Funke-Gruppe tatsächlich in Betracht ziehen.
Die Funke-Gruppe kann laut zahllosen Schiedsgerichtsentscheiden die Vorrechte und Gewinngarantien der Dichands nur loswerden, wenn sie auch die gemeinsamen Krone-Gesellschaften aufkündigt. Wer die Gesellschaft kündigt, muss seine Anteile, meist von Gutachtern bewertet, den Mitgesellschaftern anbieten. Kauft der zu diesen Konditionen nicht, wird die Gesellschaft liquidiert, die Geschäftsführung muss den Bestand, etwa Markenrechte an der Krone, bestmöglich verwerten. Dann gibt es auch keine Vorkaufsrechte mehr.
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Dichand gegen Funke: Fast vier Jahrzehnte "Krone"-Streit
Fast vier Jahrzehnte tobte dieser Streit der Hälfteeigentümer von Österreichs weitaus größter, einflussreichster und über viele, viele Jahre gewaltig profitabler Tageszeitung. Ich versuche, diesen auf so vielen Ebenen und vor unzähligen Gerichten geführten Streit hier nachzuzeichnen. Das ist mir noch nicht so kompakt gelungen, wie ich das vorhatte. Aber es war eben ein langer, spektakulärer Kampf der Krone-Gesellschafter.
Die Kontrahenten:
- Krone-Gründer Hans Dichand und seine Familie gegen
- den deutschen Medienkonzern Funke, dessen Eigentümerfamilien ebenfalls über Jahrzehnte stritten, bis ein Familienstamm 2021 alle Anteile übernimmt
Streitpunkt: Gewinngarantie
Die Wurzel des Streits liegt schon am Beginn der Partnerschaft: eine vielmillionenschwere Gewinngarantie der Funke-Gruppe für die Familie Dichand, unabhängig vom Geschäftsgang der Kronen Zeitung.
Bis Juni 2024 waren den Dichands jährlich kolportiert etwa 12 Millionen Euro jährlich garantiert. Im Juni 2024 starb Helga Dichand, die Witwe des Krone-Gründers, damit halbierte sich die Gewinngarantie. Am Start 1987 wurden Dichand zunächst 60 Millionen Schilling zugesichert, später wurden daraus 100 Millionen Schilling pro Jahr.
Zur Gewinngarantie kamen Vorrechte für die Dichands, etwa zunächst praktisch alleinige Personalhoheit über die Redaktion bis 2003.
Warum die Garantie? Die vor Geld strotzende Funke-Gruppe, sie nannte sich damals noch WAZ-Gruppe, wollte unbedingt beim funkelnden österreichischen Kronjuwel mit seinen damaligen Milliardengewinnen (noch in Schilling) einsteigen. Und der deutsche Bauer-Verlag wie die Schweizer Ringier-Gruppe boten gegen Funke um die Krone. Die bekam den Zuschlag mit den besten Konditionen.
Was ist das Problem mit der Gewinngarantie?
- Garantierte Gewinne, unabhängig von den tatsächlich erwirtschafteten, für Menschen, die auch die Geschäfte führen oder wesentlich (mit)entscheiden: Das bedeutet wenig Motivation für die Nutznießer der Garantiegewinne, notwendige, womöglich unangenehme, anstrengende, konfliktträchtige Reformen im Unternehmen durchzusetzen; Reformen, die ordentliche Gewinne auch in Zukunft sichern und den Wert des Unternehmens wahren oder gar steigern.
- Ein hoher Unternehmenswert ist unpraktisch, wenn die Nutznießer der Gewinngarantie einmal das Unternehmen kaufen müssen, weil die Partner nicht mehr weiter garantieren wollen: Je höher der Wert, desto teurer der Kauf. Und ein Verkauf wäre für Hans Dichand nicht infrage gekommen, also würde auch der Sohn den Vater damit posthum enttäuschen.
Klar ist in dieser Ausgangslage: Spätestens wenn die Gewinne nicht mehr so sprudeln und die Mitgesellschafter zahlen müssen, kommt der Konflikt.
Zum Ausbruch des Streits brauchte es nur noch ausgeprägte Egos auf beiden Seiten, die ihre Vorstellungen auch jenseits der Rationalität durchsetzen wollten. Hans Dichand und der Wahlsalzburger Erich Schumann, Geschäftsführer und Gesellschafter der Funke-Gruppe bis zu seinem Tod 2007.
Der Streit eskaliert an Christoph Dichand
Öffentlich wahrnehmbar explodierte der Streit 2001 an Christoph Dichand. Hans Dichand, immerhin schon 80 und noch immer Herausgeber, Geschäftsführer, Chefredakteur der Krone, will seinen jüngsten Sohn Christoph zum Chefredakteur machen. Im Impressum des Sonntagsmagazins Krone bunt steht Christoph schon als Chefredakteur. Aber die deutschen Mitgesellschafter, allen voran Erich Schumann, legen sich quer – bis hin zum Showdown Dichand gegen Schumann im Studio der ZiB 2 im ORF, wo der zehn Jahre jüngere Deutsche live den Krone-Boss an seine Endlichkeit erinnert. Hans Dichand wird ihn um vier Jahre überleben.
Am 24. Jänner 2003 einigen sich Funke-Gruppe und Dichand nach intensivem Streit und Dichands Rauswurf einiger skeptischer Weggefährten auf eine neue Rahmenvereinbarung. Die erste Rahmenvereinbarung vom Einstieg 1987 über die Vorrechte und Gewinngarantie der Dichands, über die Zuständigkeit von Schiedsgerichten nach Schweizer Recht für Gesellschafterstreit hat die Funke-Gruppe nie formell unterzeichnet. Mit jener von 2003 werden ausdrücklich auch die Vereinbarungen aus 1987 anerkannt. Mit dem neuen Deal 2003 räumt Dichand den deutschen Mitgesellschaftern etwa das Recht ein, von den Dichands bestellten Chefredakteuren geschäftsführende Chefredakteure ihres Vertrauens zur Seite zu stellen.
Schiedsgericht um Schiedsgericht
Schon damals bemühen die Gesellschafter Schiedsgerichte gegeneinander. Dichand etwa ficht bald bei einem Schiedsgericht das Recht der Funke-Gruppe auf einen Co-Chefredakteur an, er schmeißt den Co-Chefredakteur hinaus (obwohl auch der sein jahrzehntelanger Wegbegleiter ist). Den Rausschmiss ficht die Funke-Gruppe via Schiedsgericht an. Und sie verlangt von einem Schiedsgericht, Hans Dichand als Hauptgeschäftsführer abzusetzen – an die Funktion ist eine besonders luxuriöse Variante der Gewinngarantie geknüpft (deshalb behält er sie auch bis zu seinem Tod 2010, formal laut Firmenbuch sogar bis 2011). Über Schiedsgerichte versucht die Funke-Gruppe auch, Geschäftsführer für die Krone gegen Dichands Willen durchzusetzen.
Gratiszeitungsclinch
Dichands Lieblingsprojekt. 2001 hat Hans Dichand im Krone-Kurier-Verlag Mediaprint die Gründung einer gemeinsamen Gratistageszeitung für Wien durchgesetzt: sein Herzensprojekt U-Express. Im großen Zeitungskonzern wird das Projekt stiefmütterlich vernachlässigt, es läuft wirtschaftlich entsprechend trist. Im erbitterten Streit mit Dichand verbünden sich Funke und Kurier-Miteigentümer Raiffeisen im Krone-Kurier-Verlag Mediaprint und beschließen gegen den Krone-Boss die Einstellung der Gratiszeitung nach drei Jahren im März 2004. Dichand wird via Schiedsverfahren Schadenersatz für die Einstellung verlangen.
Eine eigene Gratiszeitung zu gründen, gestattet die Funke-Gruppe ihrem Mitgesellschafter Hans Dichand nicht. Also gründet der bisherige Pressesprecher des Dichand-Wahlneffen und damaligen Wiener Wohnbaustadtrats Werner Faymann noch 2004 mit der Mannschaft und dem Vertriebsvertrag des U-Express mit den Wiener Linien die Gratiszeitung Heute. Bald ist Christophs Frau Eva Dichand Geschäftsführerin und Herausgeberin dort, zum Wohlgefallen des Schwiegervaters. 2012 outet sie sich als langjährige Mehrheitseigentümerin des Verlags.
"Balkan-Mafia"
Michael greift an. Ein spektakulärer Höhepunkt des Streits vor ordentlichen Gerichten: Christophs älterer Bruder Michael Dichand, überaus kreativer, aber nicht immer nachhaltig erfolgreicher Unternehmer und Freigeist befeuert den Kampf um die Krone mit Recherchen und Behauptungen über die Funke-Gruppe: In einem Branchenmagazin wirft er der Funke-Gruppe im September 2003 „Geschäfte mit der Mafia“ auf dem Balkan von „höchster strafrechtlicher Relevanz“ vor. Die Funke-Gruppe deckt ihn mit Klagen ein; die Behauptungen werden ihm rechtskräftig verboten. Hans Dichand will von den Recherchen seines Sohnes nichts gewusst haben, hatte aber schon vor der Veröffentlichung öffentlich angedeutet, was da kommt.
Die Funke-Gruppe klagt damals etwa auch Christoph Dichand mit dem Vorwurf, er habe zum Vorteil eigener Firmenbeteiligungen bei der Krone-Onlineredaktion interveniert. Und sie verlangt von seinem Vater, ihn zu kündigen, andernfalls wäre das ein "Treueverstoß" gegen das gemeinsame Unternehmen und ein Absetzungsgrund. Die Dichands behaupten ihre Funktionen.
Herausgeber vererbt
Hans Dichand stirbt am 17. Juni 2010 im Wiener AKH. Die Funktion des Krone-Herausgebers überantwortet er laut Familie am Sterbebett seinem Sohn Christoph. Die Funke-Gruppe hinterfragt auch das erst einmal ohne sichtbaren Erfolg.
Es wird bis 2018 dauern, bis Hans Dichands hunderte Millionen Euro schweres Erbe samt Krone-Anteilen und gewaltiger Kunstsammlung erkennbar geregelt ist. Witwe Helga und die drei Kinder Michael, Johanna und Christoph halten nun je 12,5 Prozent an der Krone.
Kündigung um Kündigung
Funke kündigt Rahmenvereinbarung. Der Streit brodelt munter weiter vor Schiedsgerichten – eines bestätigt 2015 den Garantiegewinn für Dichands Erben – wie vor ordentlichen Gerichten. Parallel gehen Kauf- und Verkaufsangebote für die Funke-Anteile an der Krone hin und her – die Dichands bieten damals hohe zweistellige Millionenbeträge, die Essener verlangen 150 Millionen für die halbe Krone. Bis die Funke-Gruppe 2014 den Dichands ihre Kündigung der Rahmenvereinbarung über Vorrechte und Gewinngarantie schickt, aus ihrer Sicht wirksam mit 30. Juni 2015, aber spätestens zum 30. Juni 2017, 30 Jahre nach Abschluss dieser Vereinbarung.
Doch Schiedsgericht um Schiedsgericht bestätigt die Rahmenvereinbarung, während die Funke-Gruppe kündigt und kündigt. Die Vereinbarung sei nur mit einer Kündigung der Gesellschaftsverträge aufzulösen, sagen die Schweizer Schiedsrichter. Parallel zu den Schiedsverfahren versucht die Funke-Gruppe vor ordentlichen Gerichten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die Schiedsgerichte für nicht zuständig zu erklären beziehungsweise ihre Entscheidungen anzufechten – drei Höchstgerichte weisen sie ab.
Fast Fellner, dann Benko
Fellners in Essen. Die Funke-Gruppe sucht Mitstreiter gegen die Dichands – und Käufer für einen Ausstieg aus der Krone, die in der Mediaprint längst nicht mehr die Gewinne abwirft, um die Gewinngarantien abzudecken. Und sie sucht Käufer mit Sinn für Gemeinheit: 2017 werden die österreichischen Medienmacher Fellner (Österreich/Oe24), innig gehasste Konkurrenten der Dichands, in der Funke-Zentrale in Essen gesichtet (was die Fellners damals dementieren, verlässliche Funke-Quellen mir aber bestätigen).
Zum Zug kommt zum Jahreswechsel 2018/19 Immobilienmilliardär René Benko. Er steigt zur Überraschung der Dichands, die selbst mit Raiffeisen ein Kaufangebot gemacht hatten, mit 49,5 Prozent bei jener Holdinggesellschaft ein, in der die Funke-Gruppe ihre Österreich-Beteiligungen an Krone und Kurier geparkt hat. 80 Millionen Euro zahlt er gleich, weitere 80 sichert er per Option für die übrigen Funke-Anteile an Krone und Kurier zu. Sobald die Vorrechte der Dichands, Gewinngarantie und Vorkaufsrechte gefallen sind. Doch die halten länger als Benkos Signa-Kartenhaus, das im November 2023 implodiert.
Absetzung, Ausschluss, Krone-Kontrolle
Klage auf Absetzung Dichands, Klagen auf Ausschluss der Funkes und der Dichands aus "Krone". Im März 2019, kurz nach Benkos Einstieg, eskaliert der Kampf um die Krone vernehmbar. Die Funke-Gruppe verlangt die Absetzung Christoph Dichands als Chefredakteur, begründet mit Spesenvorwürfen, in einer Gesellschafterversammlung und vor dem Arbeitsgericht. Dichands Anwältin Huberta Gheneff kontert mit der Ankündigung einer Ausschlussklage der Funke-Gruppe als "lästiger Gesellschafter". Funke klagt beim Handelsgericht auf Ausschluss der Dichands aus der Krone.
Kontrolle über die Krone? Funke und Signa melden am 30. Dezember 2019 beim Kartellgericht alleinige Kontrolle über die Krone an. Denn: Die Dichands haben das Erbe des Gründers in vier Teile mit je 12,5 Prozent aufgeteilt. Stimmrechte gibt es – vereinfacht gesagt – laut Gesellschaftsverträgen aber nur für ganze Stimmrechtsprozente. Funke argumentiert: Die vier Dichands hätten also nur je 12 Prozent Stimmrechte, also 48 Prozent zusammen; Funke/Signa aber volle 50. Das Verfahren läuft über Kartell- und Handelsgerichte bis zum Obersten Gerichtshof, der abwinkt.
Höchstgerichte winken ab
Der Oberste Gerichtshof in Österreich lässt die Funke-Gruppe 2021 mit diesem originellen Rechenkunststück zur kartellrechtlichen Beherrschung abblitzen. Kartellgerichte seien nicht zuständig für Rechenübungen über Stimmrechte unter Gesellschaftern.
Das Bundesgericht als Schweizer Höchstgericht weist die Funke-Beschwerde gegen ein Schiedsurteil von 2020 und gegen dessen Zuständigkeit im Krone-Gesellschafterstreit 2021 ab.
Der deutsche Bundesgerichtshof weist eine Funke-Beschwerde gegen ein Schiedsverfahren über die Gewinngarantie am 10. März 2022 ab.
Gewinnausschüttung blockiert
Gewinnausschüttung blockiert. Ab dem Geschäftsjahr 2018/19 blockieren Funke/Signa die Gewinnausschüttungen aus der Krone – und damit die Ausschüttung von Gewinnen oder Gewinngarantien an die Dichands. Die Dichands klagen dagegen Geschäftsjahr für Geschäftsjahr bei Schiedsgerichten und bekommen dort Ende 2022 für 2018/19 recht und in einer Grundsatzentscheidung im Oktober 2024 über 2019/2020 und folgende Jahre.
Signa-Pleite
Die Insolvenz der Signa-Holding und der Zusammenbruch des Firmengeflechts von René Benko im Herbst 2023 markiert neue, ernsthafte Verhandlungen der Funke-Gruppe mit den Dichands und Raiffeisen über einen Verkauf ihrer Österreich-Beteiligungen. Auf die Signa-Anteile hat die Funke-Gruppe recht günstigen Zugriff, sie bleiben aber noch beim Insolvenzverwalter. Auch das Schiedsurteil von Herbst 2024 motiviert zu den Verkaufsverhandlungen.
Verkauf
Punkte für Funke. Der Schiedsspruch von 2024 bestätigt die Gewinngarantie der Dichands. Doch die Funke-Gruppe findet auch Punkte an sie in den 160 Seiten. Die Gewinngarantie wird schon für das Geschäftsjahr 2023/2024 wegen des Tods von Helga Dichand im Juni 2024 halbiert. Die Gewinngarantie ist zwar nur mit den Gesellschaftsverträgen zu kündigen – aber nun müssten nur zwei Krone-Gesellschaften (von drei gemeinsamen) gekündigt werden. Mit dem Verkauf der Funke-Anteile oder mit einer Liquidation der Gesellschaften endet die Gewinngarantie der Funkes. Bisherige Zuschüsse der Funke-Gruppe an die Krone seien ihnen aber unter bestimmten Konditionen weiter anzurechnen beziehungsweise rückzuerstatten. Anspruch der Dichands auf Zinsen auf blockierte Gewinnausschüttungen verneint das Schiedsgericht. Das könnte die Verhandlungsposition der Funke-Gruppe verbessert haben.
Noch vor Jahresende 2024 einigen sich Funke und Christoph Dichand recht rasch auf einen groben Fahrplan und Konditionen über einen Krone-Deal. Der Unterschriftstermin wird aber mehrfach verschoben. Die Funke-Gruppe verlangt von Christoph Dichand Garantien, dass seine Schwester Johanna einen solchen Krone-Deal nicht anficht. Und Johanna legt sich zwischendurch quer, sie verlangt etwa Gustav Klimts Danae (kolportierter Wert 60 Millionen Euro) für ihren Ausstieg aus der Krone.
Anfang April 2025 soll es für einen Deal wesentliche "Klärungen" gegeben haben. Für mich klingt das nach Klärungen innerhalb der Familie. Christoph Dichand und Michael Dichand haben eine gemeinsame Gesellschaft für "Erwerb, Halten und Verwalten" von Krone-Anteilen und an einer zu gründenden Krone-Holding gegründet, zunächst hält dort Michael 75 Prozent, Christoph ist Geschäftsführer und besitzt die anderen 25.
Es sieht aus, als böge der Deal im März 2025 auf eine Zielgerade ein. Es klingt ernster als bei bisherigen Anläufen.
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<p class="mark">Dieser Beitrag wird noch erweitert. Nächstes Vorhaben: ein chronologischer Überblick der Krone-Geschichte, ob als Timeline oder Textübersicht. Und ich plane, die einst spektakulären Übernahmeversuche durch die SPÖ beziehungsweise durch Kurier-Gesellschafter noch einmal möglichst kompakt nachzuzeichnen.</p>
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