ORF-Beitrag
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Warum ist das wichtig?
Jeder Haushalt, jede Firma muss ab 2024 unabhängig von tatsächlicher Nutzung ORF-Beitrag zahlen – bis auf einkommensschwache Haushalte und Einpersonenunternehmen.
Bis zu 710 Millionen Euro aus dem ORF-Beitrag finanzieren den öffentlich-rechtlichen ORF zu gut zwei Dritteln. Sie machen ihn zu Österreichs weitaus größtem Medienkonzern mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz. Bis 710 Millionen Euro pro Jahr erlaubt (und erwartet) das ORF-Gesetz 2024 bis 2026.
- Aber: Das Finanzministerium hat mit 180.000 Haushalten mehr kalkuliert, als der ORF zunächst findet. Damit fehlen dem ORF 2024 vorerst gut 30 Millionen Euro pro Jahr.
Massiv ist der Unmut, besonders or allem jener, die bisher nicht GIS zahlten, weil sie sich auf reine Streamingnutzung berufen haben. Die Erläuterungen zum ORF-Gesetz gingen von 525.000 zusätzlichen privaten Haushalten und 100.000 zusätzlich zahlenden Firmen (die bis zu 100 Beiträge je nach Personalstand).
- Die FPÖ nutzt diesen Unmut über den ORF und seinen Beitrag zur Mobilisierung im Superwahljahr 2024. Sie verspricht, bei Regierungsbeteiligung den ORF-Beitrag zu streichen, den ORF auf einen "Grundfunk" zusammenzustreichen und etwa mit 500 statt 700 Millionen aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Budgetfinanzierung erhöht potenziell die Abhängigkeit von der Regierung.
- Auch andere Parteien sind nicht rundum zufrieden mit dem ORF-Beitrag. Teile der ÖVP sehen die Einführung als Fehler, der auf sie zurückfällt. Die SPÖ fordert soziale Staffelung und Befreiungen für junge Menschen.
Der Verfassungsgerichtshof schreibt in seinen Entscheidungen zum ORF aus 2022 und 2023 eine Existenzgarantie (etwa im aktuellen Umfang des Auftrags) für öffentlich-rechtlichen Rundfunk und eine öffentliche Finanzierungsgarantie fest.
Wofür bekommt der ORF einen verpflichtenden ORF-Beitrag?
Der ORF hat als öffentlich-rechtliches Unternehmen einen öffentlich-rechtlichen Auftrag im Sinne der Allgemeinheit zu erfüllen, den das ORF-Gesetz definiert – recht breit von Information bis Unterhaltung. Um diesen Auftrag zu erfüllen, bekommt er den ORF-Beitrag (bis 2023 die Programmentgelte aus der GIS).
Wer muss ORF-Beitrag zahlen?
- Hauptwohnsitze. Der ORF-Beitrag wird unabhängig vom Empfang von allen Hauptwohnsitzen eingehoben, Befreiungen gibt es für Einkommensschwache, etwa Bezieher von Soziallhilfe, Arbeitslosengeld, Pflegegeld, Studienbeihilfe, und Menschen mit Hörbehinderung. Die bis dahin reduzierte GISG-Gebühr für Nebenwohnsitze wurde gestrichen. Das ORF-Gesetz rechnete mit 525.000 zusätzlichen Zahlern gegenüber der GIS. Der ORF konnte im ersten Halbjahr 2024 nur 170.000 weniger Hauptwohnsitze tatsächlich finden, als das Finanzministerium beim ORF-Gesetz kalkulierte (zunächst fehlten 180.000, die Zahl wurde im Juni 2024 vom ORF revidiert).
- Unternehmen. Die Beitragspflicht für Unternehmen bemisst sich nach der Kommunalsteuer, und die wiederum nach der Zahl der Beschäftigten pro Ort mit Betriebsstätte. Bis zu 100 Beiträge pro Unternehmen werden fällig. Ausgenommen sind Einpersonenunternehmen. ORF und Gesetz gehen von rund 344.000 zusätzlichen Beiträgen von rund 100.000 Unternehmen im Vergleich zur GIS aus. Diese Zahlen werden, Stand Mitte 2024 erreicht.
Muss ich zahlen?
Grundsätzlich laut Gesetz ja, wenn man nicht unter eine der Ausnahmen fällt. Die ORF-Beitragstochter OBS fordert zur Zahlung auf (sie nennt das lieber informieren). Widerstand ist möglich: Man kann sich weigern, von der OBS einen Bescheid verlangen, die stellt dann einen amtlichen Rückstandsausweis mit Bundesadler aus (oder schickt ihn gleich mit einer Mahnung mit). Gegen diesen Bescheid kann man dann Einwendungen machen und damit ein ordentliches Verwaltungsverfahren in Gang bringen.
70.000 bis 80.000 Menschen dürften "den Verfahrensweg gehen" gegen den neuen ORF-Beitrag. Das schätzt ORF-General Roland Weißmann im Juni 2024. Nachsatz: "Sie werden zahlen müssen."
- Aber: Die beiden Wiener Rechtsanwälte Alexander Scheer (früher für das BZÖ im ORF-Publikumsrat) und und Florian Höllwarth vertreten die Rechtsansicht, dass der ORF-Stiftungsrat die Höhe des ORF-Beitrags beschließen müsste und das nicht getan habe. ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler (FPÖ) vertritt ebenfalls diese Position. Die zuständige Medienbehörde KommAustria hat festgehalten, dass das Gesetz selbst die Höhe des Beitrags in einer Ausnahmebestimmung für 2024 bis 2026 mit 15,30 Euro limitiert hat und daher kein Beschluss des Stiftungsrats nötig sei.
- 331 von einem Prozessfinanzierer gesammelte Individualanträge gegen den ORF-Beitrag weist der Verfassungsgerichtshof aus formalen Gründen zurück: Der normale Rechtsweg über Bescheid der OBS, Bundesverwaltungsgericht und dann erst zu Höchstgerichten sei zumutbar, also der hier gewählte direkte Weg zum Verfassungsgerichtshof nicht.
Wie hoch ist der ORF-Beitrag?
15,30 Euro pro Monat hebt die ORF-Beitragstochter OBS (bisher: GIS) von Haushalten und Unternehmen ein, unabhängig vom Empfang.
Die auf Radio- und TV-Geräte eingehobene GIS betrug, je nach Bundesland, bis zu 28,65 Euro (in der Steiermark).
- Mit der Umstellung auf den ORF-Beitrag strich der Bund seine bisher auf die GIS eingehobenen Abgaben wie Umsatzsteuer und Rundfunkgebühr von insgesamt 3,86 Euro pro Monat.
- Niederösterreich, Wien und Salzburg strichen mit der Umstellung auf den ORF-Beitrag ihre Landesabgaben – die brachten Niederösterreich rund 40 Millionen Euro pro Jahr, Wien rund 37 und Salzburg 12 Millionen (Stand: 2022). Oberösterreich und Vorarlberg hoben schon auf die GIS keine Landesabgaben ein. 2024 verlangen noch Steiermark, Kärnten, Burgenland und Tirol Landesabgaben auf den Beitrag. Die Steiermark mit 4,70 den höchsten, dort werden nun 20 Euro pro Monat fällig.
Abbuchung oder Jahresbetrag. Wer der ORF keine Abbuchung per Sepa-Lastschriftmandat erlaubt, muss den Jahresbeitrag von 183,60 Euro gleich im Jänner überweisen. Das gilt laut ORF-Gesetz ab 2024 für neue Zahler:innen, ab 2026 auch für bisherige GIS-Zahler:innen.
Wieviel bekommt der ORF?
Das ORF-Gesetz limitiert die Einnahmen aus dem ORF von 2024 bis 2026 mit maximal 710 Millionen Euro, wohlgemerkt im Jahresschnitt. Der ORF gab seinen Finanzbedarf für den ORF-Auftrag 2026 in Berechnungen für das Gesetz schon mit rund 743 Millionen Euro an.
Haushalte, verzweifelt gesucht
- Die Kalkulation des Finanzministeriums für den ORF-Beitrag im ORF-Gesetz erweist sich im ersten Halbjahr 2024 als eher optimistisch: 180.000 zahlende Haushalte, mit denen das Finanzministerium anhand von Daten der Statistik Austria rechnete, waren zunächst nicht zu finden, bis Juni waren noch 170.000 für die ORF-Beitragstochter nicht auszumachen. Finanzlücke gegenüber der Planung: gut 30 Millionen Euro, die etwa mit Rücklagen auf einem GIS-Sperrkonto und Einsparungen ausgeglichen werden sollten.
- Finanzlücke. Im Juni 2024 geht der ORF für 2024 von knapp 690 Millionen Euro Einnahmen aus dem Beitrag aus – gut 30 Millionen Euro weniger als geplant.
- Datenforensiker hilft. Im September berichtet ORF-General Roland Weißmann seinen Stiftungsräten, ein Datenforensiker habe über den Sommer 2024 einen großen Teil der vermissten Haushalte aufgestöbert. Nun fehlten laut Info an die Räte noch 94.000 Haushalte, davon 44.446 beitragspflichtige Haushalte.
Wer bestimmt die Höhe des ORF-Beitrags?
Für die Jahre 2024 bis 2026 legt das ORF-Gesetz die Höhe des monatlichen Beitrags mit 15,30 Euro fest und limitiert die Einnahmen mit maximal 710 Millionen Euro. Der Rest muss auf ein Sperrkonto, um "zu erwartende Preis- und Kostensteigerungen" bis zur nächstmöglichen OBS-Erhöhung auszugleichen. Auch für Einnahmenausfälle wie die 2024 fehlenden Lücke Beitragszahler:innen kann der ORF Mittel von OBS-Sperrkonten verwenden.
Die Höhe des ORF-Beitrags wird auf Antrag des ORF-Generaldirektors oder der Generaldirektorin vom ORF-Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit festgesetzt. Spätestens alle fünf Jahre muss der ORF seinen Finanzbedarf berechnen für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags laut ORF-Gesetz. 2027 dürfte mit einer Erhöhung zu rechnen sein – so es den ORF-Beitrag dann noch gibt. Diesen Beschluss des Stiftungsrats über die Höhe vermissen freiheitliche Juristen für 2024, siehe oben; die Medienbehörde KommAustria sieht ihn 2024 bis 2026 nicht erforderlich.
Den Beschluss des Stiftungsrats über die Höhe des Beitrags muss dann noch der ORF-Publikumsrat abnicken. Er kann ihn ablehnen, verzögert damit das Verfahren aber nur so lange, bis der Stiftungsrat einen Beharrungsbeschluss fasst.
Die Medienbehörde KommAustria muss das rechtmäßige Zustandekommen eines neu festgesetzten ORF-Beitrags prüfen.
Kritik und Abschaffungspläne
Die SPÖ stimmte dem ORF-Gesetz 2023 mit dem neuen Beitrag nicht zu, sie verlangt eine soziale Staffelung des Beitrags und Ausnahmen für jüngere Menschen.
In der ÖVP, deren Medienministerin Susanne Raab das Gesetz mit dem Beitrag vorlegte, gibt es unterschiedliche Strömungen zu der Haushaltsabgabe.
Die Grünen (beim ORF-Gesetz gerade Koalitionspartner der ÖVP) konnten sich unterwegs auch eine Budgetfinanzierung vorstellen, allerdings nur, wenn die Finanzierung und ihre Inflationsanpassung per Verfassungsmehrheit abgesichert würden.
Die FPÖ will den ORF-Beitrag abschaffen, die Mittel massiv kürzen (es kursieren 500 statt 700 Millionen öffentliche Finanzierung) und den ORF aus dem Bundesbudget finanzieren.
Die Neos verlangen etwa die Abschaffung verbliebener Landesabgaben auf den ORF-Beitrag.
Die Grundsatzentscheidungen des Verfassungsgerichtshofs 2022 und 2023 zum ORF
- 2022 hob der Verfassungsgerichtshof die ORF-Finanzierung über die GIS auf, weil sie alleine für Rundfunkempfang eingehoben wurde und die Ausnahmen für Streaming verfassungswidrig waren. Wesentliche Nutzungsmöglichkeiten könnten nicht von der ORF-Finanzierung ausgenommen werden. Das Höchstgericht hält hier auch eine öffentliche Verantwortung für die Finanzierung öffentlich-rechtlichen Rundfunks fest. Das Erkenntnis des Höchstgerichts im Volltext (PDF-Link).
- 2023 hob der Verfassungsgerichtshof mit Wirkung vom 31. März 2025 Teile der Besetzungsregeln für die ORF-Gremien Stiftungsrat und Publikumsrat auf. Mit diesem Erkenntnis schreibt das Höchstgericht fest, dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Funktionen etwa im aktuellen Ausmaß geben muss. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Volltext (PDF-Link).
Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer, Richter am Verwaltungsgerichtshof und Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität, erklärt die Bestands- und Finanzierungsvorgaben des Verfassungsgerichtshofs hier in einem ausführlichen Blogbeitrag.
Updates
Der Verfassungsgerichtshof weist am 12. Juni 2024, veröffentlicht am 4. Juli 2024, 331 Individualanträge gegen den ORF-Beitrag zurück. Der herkömmliche Rechtsweg über einen Bescheid der OBS, das Bundesverwaltungsgericht und erst dann zu Höchstgerichten sei zumutbar, direkte Individualanträge an den Verfassungsgerichtshof also nicht.
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