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Medienfusionen und Zusammenschlüsse: Welche Kartelle und Fälle Österreichs Wettbewerbsbehörden schon beschäftigten

Hier findest du einen Überblick, welche Medienzusammenschlüsse die Behörden schon prüften, genehmigten oder untersagten. Und welche schon längst fusioniert waren, bevor Österreich ein ernsthaftes Kartellrecht hatte. Von Mediaprint und Formil-Fusion über ProSiebenSat1Puls4/ATV bis Krone-Komplettübernahme und RTL/Sky.
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Autor:in
Harald Fidler
Zuletzt aktualisiert
June 29, 2025

Warum ist das wichtig?

  1. Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen zu Themen sind ein Beitrag zur eigenen Meinungsbildung. Meinungsvielfalt und Pluralismus sind wesentlich für informierte Entscheidungen und damit für demokratisches Zusammenleben.
  2. Daraus abgeleitet ist Medienvielfalt ein wesentliches Ziel demokratischer Gesellschaften; Meinungsmacht einzelner oder weniger bedeutet eine Gefahr für sie.
  3. Medienkonzentration, also viele und einflussreiche Medien in einem oder wenigen Unternehmen, ermöglichen oder erleichtern solche Meinungsmacht.
  4. Medienvielfalt ist im österreichischen Kartellrecht seit 2002 ein Prüfkriterium für Medienzusammenschlüsse; ist sie gefährdet, ist der Zusammenschluss zu untersagen.
  5. Der Bundeswettbewerbsbehörde sind Medienzusammenschlüsse sind schon ab 200fach geringeren Umsätzen als andere Unternehmen zu melden.
  6. In diesem Beitrag findest du einen Überblick über die großen Zusammenschlüsse in Österreichs Medienbranche – und wie die Wettbewerbsbehörden damit umgingen.

Medienfusionen: Grobe Basics

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2025: Krone-Komplettübernahme, Kurier und Mediaprint, RTL und Sky

Kronen Zeitung komplett an Familie Dichand

Die Komplettübernahme der Kronen Zeitung durch die Familie Dichand wurde Mitte Juni 2025 unterzeichnet, die Wettbewerbsbehörden müssen sie noch genehmigen, bevor der Deal abgeschlossen werden kann. Am 29. Juni 2025 war die Übernahme noch nicht der Bundeswettbewerbsbehörde BWB gemeldet. Oder von ihr noch nicht veröffentlicht – die jeweils aktuelle Übersicht der Zusammenschlüsse 2025 findest du hier.

Was könnte die Wettbewerbsbehörde interessieren? Ein paar grobe, vermutlich nicht vollständige Überlegungen dazu: 

  • Die Kronen Zeitung dominiert den Zeitungsmarkt, auf sie entfielen 2024 ganze 41 Prozent der gesamten Verkaufsauflage österreichischer Tageszeitungen, da kann man schon von Marktbeherrschung sprechen. Die Werbedaten im Tageszeitungsmarkt liegen mir nicht vor, Focus MR veröffentlicht solche Detaildaten nicht.
  • Mit dem Kauf der 50 Prozent Funke-Anteile ändert sich zwar an der dominierenden Position der Kronen Zeitung nichts, aber Christoph Dichand bekommt mit seinem Bruder Michael Dichand nun bestimmenden Einfluss auf die Kronen Zeitung.
  • Christoph Dichands Frau Eva Dichand ist Herausgeberin von Heute, Österreichs zweitgrößter Tageszeitung; über eine Stiftung kontrolliert sie Verlag und Onlinefirma hinter Heute zu rund 31 beziehungsweise 37 Prozent. Die Wettbewerbsbehörde hat in den 2000er Jahren kartellrechtliche Relevanz der privaten Verbindung verneint; BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf äußert sich im Juni 2025 ähnlich in der ZiB 2; zu prüfen seien allfällige Stimmbindungen oder andere Vereinbarungen.
  • Die Kronen Zeitung hält 50 Prozent der Gesellschaftsanteile am marktbeherrschenden Verlagskonzern Mediaprint mit dem Kurier, wo Raiffeisen die Mehrheit hält und die Funke-Anteile am Kurier übernehmen will. Die Dichands wollen auch die Mediaprint umbauen, eher Richtung Dienstleistungsgesellschaft mit weniger Einfluss auf die Zeitungen, die ihre Eigentümer sind.

RTL Deutschland übernimmt Sky Deutschland und damit Sky Österreich

Das deutsche Bundeskartellamt muss den im Juni 2025 vereinbarten Deal noch prüfen, der RTL und Sky gemeinsam mit 11,5 Millionen Abos zur Nummer 3 im deutschen Streamingmarkt nach Netflix und Amazon Prime und vor Disney+ macht.

In Österreich wird der Zusammenschluss gewiss ebenfalls bei der Bundeswettbewerbsbehörde angemeldet.

In Österreich betreibt RTL (seit 2024 im Alleinbesitz) den TV-Werbevermarkter IP Österreich mit geschätzt rund 100 Millionen Euro Jahresumsatz.

Sky Österreich ist eine Tochter von Sky Deutschland mit rund 163 Millionen Euro Umsatz (letztverfügbarer Wert: 2022) und rund minus 30 Millionen Euro Ergebnis.

Nummer 5 nach Umsatz in Österreich. Addiert man die Umsätze in Österreich, wird daraus das fünftgrößte Medienunternehmen in Österreich mit rund 260 Millionen Euro vor ProSiebenSat1Puls4. Hier geht's zur Übersicht Österreichs größter Medienkonzerne, vorerst Stand 2024 vor Bekanntwerden der Fusionspläne.

Kleine Geschichte großer Medienzusammenschlüsse

Eine Auswahl größerer Fusionen und Übernahmen im österreichischen Medienmarkt. Manche kamen erst gar nicht zustande, andere lösten sich inzwischen selbst wieder auf.

1988 Mediaprint

1987 steigt die deutsche Funke-Gruppe (damals WAZ-Gruppe) bei der Kronen Zeitung ein, 1988 auch beim Kurier, damals die beiden größten österreichischen Tageszeitungen.

Nach deutschem Funke-Vorbild legen die beiden österreichischen Zeitungen all ihre Verlagsaktivitäten wie Druck, Zustellung, Werbevermarktung, Verwaltung im neuen Zusammenschluss Mediaprint zusammen.

Österreichs Regierungspolitik schaut der Mediengroßfusion tatenlos und in Furcht vor der Kronen Zeitung zu, ein wirksames Kartellrecht mit Fusionskontrolle gibt es ohnehin noch nicht.

Das Kartellgesetz wird erst 1993 mit einer Novelle verschärft, als der marktbeherrschende Zeitungskonzern längst gebaut ist. Das wird 2001 noch einmal so laufen.

2001 Formil-Magazinfusion

Kurier und Magazingruppe News (heute VGN) beenden eine vielmillionenteure Marketingschlacht ihrer Montagsmagazine Profil und Format mit einem Zusammenschluss: Der Kurier, Gesellschafter der der den Zeitungsmarkt beherrschenden Mediaprint, bringt seine Magazine in die marktbeherrschende Zeitschriftengruppe News ein und beteiligt sich an der Magazingruppe mit 25,3 Prozent.

Im Kartellgericht überstimmen die Laienrichter von Wirtschafts- und Arbeiterkammer – wohl unter Druck der fusionswilligen Eigentümer – die Berufsrichterin. Sie dürfte mit einer Untersagung der Fusion in die entscheidende Sitzung gegangen sein. So liest sich denn auch das Urteil: Auf 68 Seiten argumentiert die Entscheidung gegen die Fusion und hinterfragt mögliche Auflagen als sinnlos. Nach der ersten Leerzeile vor einem Absatz wird die Fusion dann auf den letzten Seiten mit Auflagen genehmigt. Justizminister Dieter Böhmdorfer verzichtet entgegen seiner Ankündigung auf Druck der damaligen Regierungspartei FPÖ doch auf einen Rekurs.

Mehr unter Formil-Fusion.

2002, nach der Formil-Fusion, wird das Wettbewerbs-und Kartellrecht wieder verschärft, die Bundeswettbewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt eingerichtet. Laienrichter haben nicht mehr die Mehrheit im Kartellgericht.

Die Formil-Fusion wird das ebensowenig treffen, wie das Kartellgesetz von 1993 die da längst laufende Krone-Kurier-Tochter Mediaprint weiter behelligte.

Der renommierte Verfassungsrechtler Walter Berka wird später einmal zu den Verschärfungen nach den größten Zusammenschlüssen seufzen:

"Der Mut des Gesetzgebers zu handeln ist gegeben. Aber er kommt nicht zum richtigen Zeitpunkt, sondern immer post festum."

Selbstauflösung

Die Verflechtung von Kurier und VGN-Magazingruppe beendete nicht das Kartellrecht, sondern Verleger Horst Pirker, dem seit 2016 die Mehrheit an der Magazingruppe gehört. Er zieht 2018 eine bei der Formil-Fusion vereinbarte Kaufoption ohne Geldeinsatz; der Preis bemaß sich nach den VGN-Ergebnissen der vergangenen drei Jahre, und das waren Verluste. 2019 verkaufte er dem Kurier noch Profil ganz zurück – für kolportiert sechs Millionen Euro. Damit sind die beiden Gruppen wieder entflochten.

Eine Rolle spielte die BWB aber auch bei dieser Auflösung: Pirker beantragte zunächst die Übernahme der Redaktionsgesellschaft von Profil bei der Behörde. Diese Redaktionsgesellschaft musste laut Kartellurteil von 2001 beim Kurier bleiben, und darauf besteht die BWB weiterhin. Daraufhin verkauft Pirker die mit der Formil-Fusion übernommenen Markenrechte an Profil dem Kurier zurück.

2004 Styria-Einstieg beim Wirtschaftsblatt

Die Bundeswettbewerbsbehörde gestattet Presse-Eigentümerin Styria 2004 den Einstieg bei der Tageszeitung Wirtschaftsblatt. Das BWB-Verbot engerer Zusammenarbeit der beiden Wiener Zeitungen insbesondere bei Beilagen, Anzeigentarifen und Redaktion läuft 2008 aus, danach rücken die beiden Titel immer enger zusammen. 2016 stellt die Styria das Wirtschaftsblatt ein, die Presse führt gut funktionierende Eventformate weiter.

2009 Fusion von Styria und Moser Holding – geplatzt

Die beiden großen Regionalkonzerne Styria Media Group und Moser Holding wollen 2009 all ihre regionalen Medienaktivitäten zusammenlegen – und dazu zählt Kerngeschäft wie die Kleine Zeitung und die Tiroler Tageszeitung. Gemeinsam hätten sie damals mehr Umsatz als der Krone-Kurier-Zeitungsriese Mediaprint.

Die Wettbewerbsbehörde zeigt sich skeptisch und bringt die Causa vor das Kartellgericht. Das Gericht muss letztlich aber nicht einschreiten: Management und Eigentümer beider Häuser ziehen ihre Fusionspläne im Dezember 2009 doch wieder zurück – kolportiert wird ein Streit über Bewertung, Anteilsverhältnis und Positionen.

2009 Fusion der Styria/Moser-Gratiszeitungen zur RMA

Dafür gründen Styria Media Group und Moser Holding 2009 gemeinsam die Regionalmedien Austria (RMA), einen österreichweiten Ring von Gratiswochenzeitungen als 50:50-Gemeinschaftsunternehmen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde bringt auch diesen Zusammenschluss vor das Kartellgericht – sie hat Bedenken wegen der sehr starken regionalen Marktstellung der Styria- und Moser-Titel in ihren Märkten. Das Kartellgericht stimmt der Fusion zu, nach einem Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde gibt auch der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht und damit letzte Instanz das Okay zum Zusammenschluss.

2011 Styria und Moser legen Regionalmagazine zusammen

Nach Prüfung durch das Kartellgericht dürfen Styria und Moser Holding 2011 auch ihre überwiegend gratis vertriebenen Regionalmagazine von Tirolerin bis Burgenländerin und Kärntner Monat in einer gemeinsamen Holding zusammenlegen.

2017 ProSiebenSat1Puls4 übernimmt ATV

Der größte private TV-Konzern ProSiebenSat1Puls4 kann 2017 auch noch ATV und ATV 2 übernehmen. Die Bundeswettbewerbsbehörde gibt ihr Okay unter Auflagen, etwa für getrenntes Management und getrennte Redaktionen von ATV und Puls 4. Die Auflagen werden 2020 auf Antrag gelockert, Anfang 2023 laufen sie ganz aus.

2018 Kartellklage um Entnahmeboxen

Im Herbst 2018 endet ein mehr als zehn Jahre dauerndes Kartellverfahren der Mediengruppe um Österreich und Oe24 gegen die Wiener Linien und ihren Vertrag über Entnahmeboxen von Konkurrent Heute in den Stationen. Offenbar lenkte Linien-Eigentümer Stadt Wien ein und stimmte Entnahmeboxen von Oe24 in Stationen zu. Bürgermeister Michael Ludwig wird gleich darauf von der Krone verbal geprügelt. Dort hat wie bei Heute ein Familienmitglied der Dichands das Sagen.

Dieses Verfahren betrifft keine Fusion; ist aber ein Beispiel für Wettbewerbsrecht und Medien. Ich werde weitere hier noch ergänzen.

2024 Raiffeisen will beim NÖ Pressehaus aufstocken

Im Juli 2024 gestattet die Bundeswettbewerbsbehörde Raiffeisen (Kurier, Profil, ORS, Mediaprint), ihre Beteiligung am Niederösterreichischen Pressehaus (NÖN) von 20 auf bis zu 28,6 Prozent aufzustocken (über eine Wandlung von Genussrechten). Die Behörde erteilt Auflagen etwa über getrennte Werbevermarktung und redaktionelle Unabhängigkeit. Aber die Diözese St. Pölten legt sich als Mehrheitseigentümer gegen die Aufstockung jedenfalls bis Mitte 2025 quer.

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June 30, 2025
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