Österreichs Medien und ihre Macher:innen im raschen Überblick
Inhalt
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Warum ist das wichtig?
Medien und Journalismus prägen unser Bild von der Welt. Ob sie uns erreichen, liegt mehr und mehr an den Algorithmen der Social Media – und daran, ob wir dieses Bild sehen wollen.
Es geht hier um möglichst informierte demokratische Entscheidungen (auch wenn Medien natürlich ebenso unterhalten, Zerstreuung liefern und Service).
Ich finde es also wesentlich, wer uns wie informiert, unter welchen Bedingungen und Einflüssen, mit welchen Möglichkeiten und unter welcher Kontrolle.
Wer die Medien macht und unter welchen Bedingungen, wie es ist in Österreichs Medienlandschaft: Das erkläre ich in diesem diemedien.-Stichwort in einem sehr raschen Überblick. Viel mehr gibt's in den hier verlinkten Beiträgen auf diemedien.
Die Herausforderungen für Medien – in Österreich später und spezieller
Herausfordernd ist die Lage der Medien in praktisch aller Welt. Für all diese Herausforderungen und Phänomene lassen sich natürlich auch Ausnahmen finden, oft mit besonderen Bedingungen, in speziellen Feldern und Nischen:
- Werbeeinnahmen gehen großteils an Digitalkonzerne, die damit keine Inhalte finanzieren.
- Die Bezahlbereitschaft der Userinnen für digitale Inhalte reicht – mit prominenten großen und speziellen Ausnahmen – kaum, um Redaktionen in relevanter Größe zu finanzieren.
- Print wird noch eher bezahlt, doch Personal, Produktion und Vertrieb wurden massiv teurer. Und Österreich ist noch weit stärker Printland als andere, auch in diesem Feld kommt die internationale Entwicklung hier verzögert an.
- Um sein Publikum zu erreichen, vor allem jüngeres, braucht Journalismus digitale Plattformen wie Google, Whatsapp, Tiktok, Insta und Yotuube.
- Auf digitalen Plattformen steht Journalismus in Konkurrenz um Aufmerksamkeit mit sehr persönlichen Inhalten. In Konkurrenz mit dem Boulevard ohnehin auch hier. Zudem mit parteiischen Playern, Propaganda, Desinformation, die alle tun, als wären sie Medien. Sie alle setzen auf Wut, Angst und andere Emotionen und werden so von den auf Aufmerksamkeit und Interaktion getrimmten Algorithmen bevorzugt ausgepielt und angezeigt.
- Plattformen wenden sich von Medieninhalten ab, Google und Co leiten weniger Traffic an Medienseiten weiter, KI-Antworten statt klassischer LInklisten mit Titeln und Auszügen als Suchergebnisse lassen Quellen und Inhalte weiter in den Hintergrund treten. Zugleich stellen sich Fragen nach Copyrights, wenn große Sprachmodelle an Medieninhalten trainiert werden.
Charts, Daten und mehr zu den Herausforderungen und Krisen
In Österreich kommt dazu:
- Ein relativ kleiner Markt neben einem zehnmal so großen, gleichsprachigen deutschen Markt, dessen TV- und Medienkonzerne den kleinen Nachbarmarkt als Beifang mitnehmen.
- Den kleinen Markt dominiert ein öffentlich finanzierten Rundfunk ORF, weit größer als alle anderen Medienunternehmen im Land.
- Den Markt dominieren auch zwei von der Politik gefürchtete und gehegte Boulevardfamilien, Dichand und Fellner.
- International unüblich hohe öffentliche Werbebuchungen mit Fokus auf Boulevard und häufig in der Hoffung auf freundlcihe redaktionelle Behandlung.
- Den Medienmarkt prägen auch sehr regionale Player, die im Zeitungsverband VÖZ das medienpolitische Branchenlobbying definieren.
- Die Medienpolitik setzte über Jahrzehnte um, worauf sich die (großen) Medien(verbände) einigen können. Sie schielt besonders auf Einfluss im ORF und die Wünsche des Boulevards. Sie trägt häufig dazu bei, dass internationale Entwicklungen verzögert, aber oft auch wuchtvoller in Österreich aufschlagen.
- Nummer zwei im Medienmarkt ist mit dem Red Bull Media House ein hunderte Millionen schweres Konzernmedienhaus, das Konzernmarken promoten soll, und zugleich einen speziellen weltanschaulichen Blickwinkel präsentiert. Eine weitere österreichische Spezialität.
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Österreichs größte Medien – und wem sie gehören
Ein rascher Überblick über wichtige Player und Märkte.
- Das größte Publikum in TV, Radio und Online unter Österreichs Medien hat der ORF. Er ist öffentlich-rechtlich als Stiftung organisiert, wird öffentlich kontrolliert – über seine von politischen Institutionen besetzten Entscheidungsgremien. Der Milliardenkonzern ORF wird größtenteils öffentlich finanziert, seit 2024 mit einem ORF-Beitrag von allen. Der ORF ist nicht zuletzt deshalb so groß, weil die jeweilige Regierungspolitik ihn schützte und absicherte – in der Hoffnung auf Einfluss dort. Ein Verfassungsgesetz über die Unabhängigkeit, Redaktionsstatut und wehrhafte Redaktionen halten meist dagegen.
- Die Herausforderer in TV und Streaming: ProSiebenSat1Puls4 gehört ProSieben Deutschland, ist größter privater TV-Player in Österreich und hat alle privaten nationalen TV-Sender zusammengekauft – vor allem mit Geld aus Werbefenstern. ProSiebenSat1 hat alle nationalen Sender zusammengekauft bis auf Servus TV, ein teures Lieblingsprojekt des 2022 verstorbenen Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz. Mit Werbefenstern macht auch die Vermarkterung IP Österreich für RTL-Gruppe und Krone gutes Geld.
Im Streaming stehen der nationale Player ORF On, der Österreich-Ableger Joyn von ProSiebenSat1Puls4 und Servus On den globalen Riesen gegenüber – Netflix und Youtube, Amazon Prime, Disney+, Sky des US-Konzerns Comcast, Paramount+, dem europäischen Canal Plus (in Österreich mit A1 an Bord) und Co. - Österreichs nationalen Zeitungsmarkt dominiert die Kronen Zeitung, längst auch online gewichtiger Player. Zur Krone-Gründerfamilie Dichand gehört auch Eva Dichand, die Herausgeberin und (über Stiftungen) Miteigentümerin der großen Gratiszeitung Heute mit dem stark performenden Heute.at. Konkurrent im Boulevardsegment: Österreich/Oe24 der Familie Fellner auf vielen Kanälen.
Kronen Zeitung und Kurier (Raiffeisen) besitzen gemeinsam Österreichs größten Verlagskonzern Mediaprint. - Die regionalen Märkte dominieren einige Verlegerfamilien, in regionaler Konkurrenz mit ORF-Landesstudios und Krone: Russ (Vorarlberger Nachrichten, Vol.at, Neue Vorarlberger und digital weit über Vorarlberg hinaus aktiv). Moser (Tiroler Tageszeitung, RMA). Dasch (Salzburger Nachrichten). Cuturi (Oberösterreichische Nachrichten). Dazu kommen katholische oder kirchliche Organisationen: Die Styria Media Group (Kleine Zeitung in Kärnten, Steiermark, Die Presse, Willhaben, RMA) gehört einer katholischen Privatstiftung. Das Niederösterreichische Pressehaus (NÖN, bvz) gehört der Diözese St. Pölten, einem katholischen Verein und Raiffeisen).
- Qualität verspricht und liefert ein Segment im (natürlich längst auch digitalen) Tageszeitungsmarkt, zu dem sich Der Standard (Familie Bronner/Mitteräcker), Die Presse (Styria) zählen, aber auch die Salzburger Nachrichten (Familie Dasch). Der Kurier (Raiffeisen) bewegt sich traditionell zwischen Qualität und Breite. Qualitätsvoll ist auch vieles in der Kleinen Zeitung, Regionalblatt mit Massenanspruch, und anderen Regionalzeitungen.
- Qualität verspricht auch eine Vielzahl von Medien abseits des Tagesgeschäfts – von Profil (Kurier) bis Furche (Styria), von Trend (VGN) und Gewinn (Wailand) bis Datum (Loudon), von den Östereich-Seiten der Zeit und Dossier bis Tageins, von Hashtag (Video, Audio) bis Missing Link (Audio), und vielen mehr. Und natürlich auch der ORF von News, Doku, Kultur, auch Fiction, bis Ö1. Servus TV und die Red-Bull-Magazine haben hohe Ansprüche ans Produkt. Puls 24 hat ebenso journalistische Qualität.
- Nicht kommerzielle Medien sind ein eigener Bereich der Medienwelt, in Österreich gehören dazu etwa Community-TVs wie Okto, Dorf-TV und FS1 und freie Radios wie Orange oder Radio Helsinki.
- Die Informations- und Innovations-Drehscheibe. Nationale Nachrichtenagentur, Technologie-Dienstleister und Innovationslabor der österreichischen Medien ist die APA (Austria Presse Agentur). Sie gehört dem ORF und den meisten österreichischen Zeitungsverlagen (ohne Krone, Heute).
- Der Red-Bull-Riese. Das nach Umsatz zweitgrößte Medienunternehmen Österreichs ist das Red Bull Media House des gleichnamigen Getränkekonzerns mit der Red-Bull-Streamingplattform und starker Social-Media-Performance, vielen Magazinen und Servus TV mit vielen Premiumsportrechten. Der größte Teil des ausgewiesenen Umsatzes von mehr als einer halbe Milliarde jährlich in den 2020ern kommt aus dem Mutterkonzern. Denn die Grundidee des Media House ist: mediale Vermittlung des Red-Bull-Lebensgefühls und des Lifestyles anderer Konzernmarken. Servus TV war, auch weltanschaulich, ein Lieblingskanal des Konzerngründers Dietrich Mateschitz (1944 – 2022).
Sie alle treffen in der digitalen Welt aufeinander, auf einem Spielfeld mit den digitalen Plattformriesen Google und Youtube (Alphabet), Facebook, Instagram und Whatsapp (Meta), Tiktok (Bytedance), Amazon, Microsoft, Apple und Co mit ihren auf Aufmerksamkeit und damit Emotion abgestellten Algorithmen und ihren günstigen Werbeangeboten. Und sie finden sich, oft unkenntlich, wieder in den Inhalten großer Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini und Co.
In dieser digitalen Welt treffen journalistische Medien auch auf parteiische und Partei-Angebote und solche in Konzerninteressen, die tun, als wären sie Medien. Die FPÖ entwickelte in Österreich früh und mit einigem Erfolg ihre eigene freiheitliche Medienwelt. Einen Überblick über parteiische "Medien" findest du hier.
Charts und mehr über Österreichs größte Medienkonzerne
Größte Reichweiten, meiste Nutzer:innen: Die Nutzungsdaten von Österreichs Medien
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Politik und Medien: Nähe, Einflüsse, Erwartungen
Medienpolitik ist in meinem Verständnis: Rahmenbedingungen zu schaffen, die unabhängigen, kritischen, vielfältigen Journalismus ermöglichen und nachhaltig sichern. Informierte Entscheidungen sind Grundlage für das Funktionieren der Demokratie.
Aber: Informierte Entscheidungen sind nicht unbedingt im Sinne kurzfristiger Stimmenmaximierung und politischer Macht – eher im Gegenteil.
Aber: Politikerinnen und Politiker (wie viele andere Menschen, die in Medien vorkommen wollen) möchten ihre Botschaften und sich selbst gemeinhin möglichst unhinterfragt und positiv transportieren.
Medienpolitik ist in Österreich also häufig: taktische Politik, um Einfluss auf Medien zu erlangen, zu sichern, oder um Medien gnädig zu stimmen.
Mit der Hoffnung auf politischen Einfluss lässt sich etwa (zu wesentlichen Teilen) erklären,
- warum Österreich so spät Konkurrenz für den öffentlich-rechtlichen ORF zuließ, warum der ORF gar so groß ist, und wie Jobs von der Generaldirektion abwärts besetzt wurden und werden.
- Damit lassen sich aber auch im internationalen Vergleich herausragend hohe Werbebuchungen öffentlicher Stellen erklären, und warum sie, jedenfalls bei einzelnen Playern, so stark auf den gefürchteten Boulevard fokussieren.
- Damit lässt sich erklären, warum Österreichs Medienpolitik historisch massive Konzentration im Medienmarkt zuließ.
Im Herbst 2021 ist Sebastian Kurz als Bundeskanzler der Republik Österreich zurückgetreten, nach Ermittlungen und Hausdurchsuchungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Inseratenkorruption. Also wegen des Verdachts auf Gegengeschäfte zwischen Politik und einzelnen Boulevardmedien über Inseratenbuchungen, die Publikation genehmer Umfrageergebnisse und redaktioneller Inhalten. Alle Beteiligten weisen die Vorwürfe als falsch zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.
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Medienförderungen, formell und informell
Der kleine Medienmarkt Österreich, am Rande des großen gleichsprachigen Nachbarn, fördert Medien auf vielerlei Arten, formell und informell.
Öffentliche Werbebuchungen werden von einigen öffentlichen Institutionen als informelle Medienförderung verstanden – immerhin insgesamt gut 200 Millionen Euro wurden 2023 gemeldet. Kritik gibt es an Vergaben Richtung Boulevard.
Der Bund vergibt in Österreich 2024 Förderungen für Journalismus, Presse, Publizistik, Privatrundfunk kommerziell und nichtkommerziell, digitale Transformation von Medien, Digitalisierung von Rundfunk, TV-Produktionen im Umfang von insgesamt rund 95 Millonen Euro. Hier findest du einen Überblick der Medienförderungen in Österreich.
Staatliche Medienbeihilfen in der Definition der EU sind aber auch die ORF-Beiträge – von an die 700 Millionen Euro pro Jahr. Den ORF machen sie zum weitaus größten Medienkonzern in Österreich und zum marktbeherrschenden Player in TV, Radio, Online und Streaming.
Österreich hat seit 1. Juli 2023 ein direkt aus dem Bundesbudget finanziertes, journalistisches Onlineportal im Besitz der Republik, WZ.at als Nachfolger der von Pflichtinseraten von Unternehmen finanzierten staatlichen Wiener Zeitung, bis MItte 2023 die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Auch das eine österreichische Spezialität.
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Wer kontrolliert die Medien? Recht und Selbstkontrolle
Medien und Journalismus wird in der Demokratie eine Kontrollfunktion gegenüber Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung beigemessen, oft ist von der "vierten Gewalt" die Rede. Und wer kontrolliert die Medien?
Ordentliche Gerichte sind zuständig für die Einhaltung des Mediengesetzes, das etwa (teils neben dem Strafrecht) vor übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung schützt, zudem die Privatsphäre und die Identität, die Unschuldsvermutung, vor verbotener Veröffentlichung; es regelt Entschädigungen und Gegendarstellungen. Wettbewerbsrecht spielt zudem eine wesentliche Rolle im Mediensektor und das Urheberrecht.
Die Medienbehörde KommAustria ist erste Instanz für die Einhaltung des ORF-Gesetzes, der Gesetze für private (österreichische) Audio- und Videomedien ob über Rundfunk oder online, sie ist etwa auch zuständig für Terrorinhalte-Bekämpfung und Digital Services Act in Österreich. Zweite Instanz: Bundesverwaltungsgericht, dann geht es hinauf zu Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof.
Selbstkontrolle der Branche übernimmt der Österreichische Presserat, zuständig vor allem für Zeitungsunternehmen und getragen von Zeitungs- und Zeitschriftenverband, Journalismusgewerkschaft, Presseclub Concordia. Journalist:innen und Jurist:innen sprechen in Senaten Rügen aus für Verstöße gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse.
Höchstgerichte machen Medienpolitik
Österreichs zögerliche, oft eigeninteressengeleitete Medienpolitik wurde vielfach von Höchstgerichten überholt und zum Handeln gebracht.
Der Verfassungsgerichtshof bestimmt in Österreich die Medienpolitik wesentlich mit. Zuletzt erklärte der Verfassungsgerichtshof 2022 die Ausnahmen von der ORF-Gebühr GIS für Streaming für verfassungswidrig und legte damit die Schiene zum ORF-Beitrag von allen. 2023 hob er Teile des ORF-Gesetzes über die Besetzung der ORF-Gremien als zu regierungsnah auf; bis Ende März 2025 braucht es eine Neuregelung. Das Höchstgericht hob schon schlampig-traditionsmedienfreundliche Privatradiogesetze auf (und half damit dem ORF bei der Vorbereitung). Er zog auch mehrfach weite Grenzen für die journalistische Freiheit im ORF.
Medienpolitische Grundsatzentscheidungen lieferten auch schon der Verwaltungsgerichtshof (2015: ORF-Programme waren bis 2011 gesetzwidrig programmiert) und der Oberste Gerichtshof (2023: keine Presseförderung für Österreich, weil nicht unabhängig von der Gratiszeitung Oe24 zu beurteilen – und für Gratiszeitungen gibt es da keine Presseförderung).
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